Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)
das mache sie nur faul und aufsässig, er werde es noch erleben. Es sei reine Frömmelei, wenn man darüber grübele, ob die Sklaverei unchristlich sei.
Was Amanda, schließlich nur die Witwe des verstorbenen alten Hausherrn mit einer üppigen Apanage, aber nicht die Erbin des Handelshauses, eigentlich wenig zu kümmern hatte, aber sie war nun mal keine, die sich fügte, dafür wusste sie alles besser als andere. Als Amanda überraschend von einem kinderlos gestorbenen Verwandten das alte Herrenhaus in der Nähe von Wandsbek erbte, verließ sie die karibische Insel, um ihr norddeutsches Erbe in Besitz zu nehmen und fürderhin dort zu leben.
«Ich denke, sie hat gehofft, ihr Sohn werde dann einlenken. Das hat er natürlich nicht, das wird – wenn überhaupt – an ihr sein. Leider hat sie anstelle des erwarteten großbürgerlichen Landhauses mit zumindest dem nötigsten Personal ein verlottertes, baufälliges Anwesen vorgefunden. Wenn es überhaupt noch mehr Personal gegeben hatte, war es bis auf einen steinalten, nur das Haus bewachenden Knecht verschwunden, nach dem Tod ihres Herrn bezahlte sie ja keiner mehr. Wobei der Zustand des Hauses vermuten lässt, dass es kaum noch Bedienstete gegeben hatte.»
Amanda Söder lebte nun seit einigen Monaten mit einer alten Magd in ihrem ererbten Haus, ob es den Knecht noch gab, war fraglich, bei ihrem zweiten Besuch hatte Augusta ihn nicht mehr gesehen. Bei ihr hatte Amanda Söder sich erst gemeldet, als ihr das Holz ausging, was im Winter, erst recht in einem so kalten wie diesem, leicht tödlich enden konnte. Die Wandsbeker mieden das Anwesen, denn es stand in keinem guten Ruf. Manche behaupteten gar, es spuke dort, auf alle Fälle gehe etwas Ungesundes um, seien es auch nur pestilenzartige Dämpfe, die dann aber ganz gewiss.
Augusta hatte sie zweimal besucht und ihre Hilfe angeboten, Amanda schließlich eingeladen, ins Haus der Herrmanns zu kommen, wenigstens für die restlichen kalten Wochen, was sie entschieden abgelehnt hatte. Sie komme zurecht, und wenn das Haus erst hergerichtet sei, auch der Garten, ja, der auch, ohne Garten könne sie gar nicht leben, dann werde sie ein großes Fest geben und es allen zeigen.
«Was zeigen?», hatte Augusta gefragt, über so viel Sturheit ärgerlich. Amanda hatte nur trotzig gelächelt und dabei ausgesehen wie damals, als sie elf Jahre alt gewesen war. Sie hatte auch Hilfe durch die Herrmanns’schen Dienstboten abgelehnt und darauf bestanden, ihr Leben selbst einzurichten. Trotzdem hatte Augusta ihr einige große, aus der Herrmanns’schen Vorratskammer gefüllte Körbe geschickt. Amanda hatte sich nicht bedankt.
«Am Ende der Schlehenhecke beginnt die Zufahrt», unterbrach Augusta sich. «Sie ist ziemlich zugewachsen, eine kleine Kutsche wie diese kann gerade passieren. Als ich das erste Mal hier war, hat Brooks mich mit der großen gefahren, es war nämlich ein furchtbar kalter Tag. Die musste hier stehen bleiben und ich den Rest des Weges zu Fuß gehen. Zum Glück hatte ich ausnahmsweise schweres Schuhwerk dabei. Heute übrigens auch, ich fürchte», sie blickte besorgt prüfend zu Rosinas Füßen hinunter, «uns erwartet jede Menge Matsch. Von gekiester Auffahrt ist dort keine Rede mehr. Aber ich sehe, Euer Schuhwerk ist für lange Fußmärsche gemacht. Manchmal seid Ihr schrecklich vernünftig, Rosina.»
«Manchmal.» In Rosinas Wange zeigte sich das tiefe Grübchen. «Leider nur manchmal, Madam Augusta. Bevor wir ankommen: Ist es ihr gelungen? Ich meine, ihr Leben allein mit ihrer Magd einzurichten?»
«Ich habe keine Ahnung. Eigentlich sollte ich sie in der letzten Woche besuchen, sie hat sich aufgerafft zu schreiben, nämlich um abzusagen. Nachdem sie vor einigen Wochen so beharrlich meine Hilfe abgelehnt hatte, hatte ich mich zurückgezogen. Ich fürchte, ich war beleidigt. Eine ganz dumme Regung.»
«Tatsächlich? Ich habe Euch noch nie beleidigt erlebt.»
«Amanda macht vieles möglich.» Sie wich einem stacheligen Heckenzweig aus und lauschte besorgt auf die unangenehmen Kratzgeräusche. «Glaubt Ihr, unsere liebe Anne ist sehr böse, wenn sie nach ihrer Rückkehr ihr elegantes Gefährt voller schnöder Schrammen vorfindet?»
Rosina antwortete nicht, sie war verblüfft. Nicht wegen der Kratzer, sondern weil hinter einem Hain ein stattliches Anwesen in Sicht kam, das alles andere als ungepflegt oder gar verfallen wirkte. Augusta war ihrem Blick gefolgt und lächelte.
«O nein», sagte sie, «das ist es nicht.
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