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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Kälte erhitzt, er fühlte sich schmutzig, seine Stiefel waren bis über die Knie voller Schlamm und Kot. Trotzdem würden die Wachsoldaten in ihm gleich den ehrbaren Kaufmann erkennen. Darauf vertraute Ansgar Hegolt.
    Also winkte er den Wachhabenden heran, raunte ihm etwas von großer Eile und schwer kranker Gattin ins Ohr. Weil beides stimmte, gelang das überzeugend. Zugleich ließ er zwei Münzen in die Tasche des Uniformrocks gleiten.
    Er rechnete mit Empörung – aber nein, die Münzen in einer Uniformrocktasche wirkten Wunder, genau so, wie man es sich in der Stadt erzählte. Die Finger des Soldaten glitten rasch und versiert über die Silberstücke in seiner Tasche, dann wandte er sich um und brüllte: «Platz, macht Platz. Eilsache, dringende Eilsache, Platz daaaaa!»
    Hegolt konnte kaum so schnell wieder in den Sattel steigen, wie sich vor ihm eine Gasse bildete. Er musste sich immer noch vorbeidrängen, die hochbeladenen, vier oder sechsspännigen Ochsen- und Pferdefuhrwerke konnten in dem engen Durchgangstunnel des Tores keinen Platz machen, nur die in die Stadt drängenden Fußgänger mit Kiepen, Taschen und dem Kleinvieh für die Märkte, mit den Karren und Handwagen.
    Es war teuer gewesen, aber es hatte sich gelohnt, so sehr, dass es verlockend schien, es von nun an immer so zu machen. Warum denn nicht? Ganz sicher waren die Männer, zu denen er nun gehörte, bedeutsam genug, erst recht ihre Geschäfte und Pflichten, denen beständig nachzukommen war, wichtiger als dieses Fußvolk, das Käse und ein paar Eier, Äpfel, eine Gans, einen Rücken voll Reisig oder eine Kiepe Torf verkaufen wollte.
    Als er das Tor passiert hatte und sich nach Osten auf den Wall wandte, drängte alles in ihm danach, seinen schweißnassen Rappen auch für das kurze letzte Stück galoppieren zu lassen. Er musste sich bezähmen, über die Lombardsbrücke ging es nur im Schritt, auch war der Weg trotz der frühen Stunde alles andere als verlassen.
    Die frühe Stunde. Er hatte sich vor Morgengrauen und ohne persönlichen Abschied auf den Weg zurück in die Stadt gemacht und hoffte, Bahlmann werde ihm das nachsehen. Die Erwähnung der Krankheit seiner Frau am Vorabend würde helfen. Schließlich hatte Bahlmann als Witwer selbst einen schmerzlichen Verlust erlitten, er würde verstehen, dass sein Gast so früh wie möglich zurück sein musste.
    Letztlich hatte sich der zeitraubende Besuch in Wohldorf als wenig erfolgreich erwiesen. Der Abend war angenehm gewesen – trotz der endlosen Partie Schach, die er nur mit größter Mühe verloren hatte – und zur Festigung seiner Beziehungen zu den wichtigen Häusern unbedingt vorteilhaft. Aber wegen der Holzliegeplätze am Grasbrook hatte Bahlmann sich wieder nicht endgültig entscheiden mögen. Wenn er in Hamburg zurück sei, hatte er gesagt, als die große Dielenuhr schon Mitternacht schlug und vom Kamin nur noch ein Rest von Glut wärmte, und ihm jovial die Schulter geklopft, werde man sich noch einmal zusammensetzen und einigen. Ja, das werde man. Nun wüssten sie, was sie voneinander wollten, das sei der erste Schritt, der zweite werde folgen, spätestens wenn der März zu Ende gehe. Er wünsche eine gesegnete Nachtruhe. Ein ungehörig gähnender Diener hatte ihn mit einem Licht die Treppe hinauf in das für den Gast vorbereitete Zimmer begleitet.
    Vielleicht lag es an dem unheimlichen Rufen des Uhus von einer der riesigen alten Eichen hinter dem Landhaus. Jedenfalls hatte Hegolt kaum geschlafen, er war immer nur kurz eingenickt, Unruhe hatte ihn ergriffen, und das Gefühl, er wäre sehr viel besser zu Hause, war zur Gewissheit geworden.
    Die Bohlen der Lombardsbrücke klangen hohl unter den Hufen. Links und rechts auf der Alster bewegte sich immer noch kein Boot, aber die Eisschollen trieben nun voran, träge, schmutzig gelb. Für das letzte Stück, es waren nur hundert Schritte, fiel er in leichten Trab. Obwohl das schweißnasse Tier dringend trocken gerieben werden sollte, brachte er seinen Rappen nicht wie sonst zum Stall, das konnte Henning tun, er band ihn an den Eisenring, der neben dem Portal seines Wohnhauses in das Mauerwerk eingelassen war, und betrat das Haus. Der für die Nacht innen vorgelegte Balken war entfernt, also hatte schon jemand das Haus verlassen. Er stand in der Diele und lauschte. Alles war still. Kein Klappern und Scheppern aus der Küche, keine schnellen Füße auf der Treppe, nichts aus dem Kontor. Letzteres war nur natürlich, die Schreiber würden erst

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