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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Findelkinder seid ihr, was ist daran besser als an einer Hure? Eure Mütter waren Huren, warum sonst haben sie euch ausgesetzt? Schlechtes Blut. Kein anständiger Mensch lässt euch in sein Haus, und keinen, der mit euch ist. Ina wollte meine Reputation zerstören. Mich. Mein ganzes Leben. Und ihr falschen Schwestern – ihr habt euch verschworen. Ich höre euch schon lachen. Ihr zerstört mich, wenn ihr Inas Betrug herumerzählt – ich musste mich wehren. Das war meine Pflicht, ich habe einen Sohn. Von einer reinen Frau, das gute Blut muss über das schlechte siegen, das ist unsere Pflicht. Ich musste zum Schweigen bringen, wer mich vernichten wollte. Die Erste lief mir einfach über den Weg, mitten in der Nacht. Keine anständige Frau kommt so spät allein nach Hause, man weiß doch, was diese Dinger bei den Maskenbällen treiben. Dieses dreiste Hürchen aus dem Nachbarhaus. Machte allen Männern schöne Augen, zeigte ihren Busen, wiegte ihre Hüften und sang. Sie sang! Man hörte es durch die Fenster. Und in der Nacht, da reichte ein kleines Pfeifen und ihren Namen flüstern, sofort war sie da, kam einfach ins Dunkel, so eine war das. So seid ihr alle. Ina. Ihr alle. Eine Pest.» Er lachte atemlos. «Wer mich vernichten will, wird vernichtet. Das Eis ist wie Feuer. Das Feuer frisst, das Eis deckt zu. Macht alles sauber, wieder ganz sauber. Ihr Hals war dünn, und dann war sie still, es war leicht, und das Eis hat sie verschluckt. Die Zweite», er beugte sich heftig vor, sein Gesicht glühte, «die Zweite kostete mehr Mühe, ich musste ihre Wege finden, in diesem Schmutz herumwaten, sie war selber schmutzig, es war widerlich. Widerlich!»
    Aus Franziskas Kehle löste sich ein erschreckender Ton, ein Knurren, Zischen, fassungsloser Zorn.
    «Du dreckiges Schwein, du Schlächter.» Sie hob die Pistole, und Hegolt, als begreife er erst jetzt, was er gesagt hatte, als erwache er aus seiner selbstgerechten Tirade, sprang einen halben Schritt zurück. Seine Füße spürten den Beginn des Stegs.
    «Was hast du vor, dummes Weib, willst du mich erschießen? Die Soldaten sind gleich da, du landest am Galgen.»
    «Da landest nur du, verlass dich drauf.»
    Als er lachte, klang es hilflos, plötzlich war alles Trotzige, Selbstgerechte verschwunden. Er wich weiter zurück, Franziska folgte ihm und hob die Pistole.
    «Nein», flüsterte er, von aufwallender Angst halb erstickt, «bitte, ich gebe dir alles, was ich habe, meine Taschen sind voll, es sind …» Er hielt den Atem an, lauschte, wankte, und unter ihm knickte der Steg ein. Langsam, eine Strebe nach der anderen, so wie das treibende Eis sie zermürbt hatte. Eine nach der anderen. Er rutschte, schlug mit den Armen, und dann – Rosina stand erstarrt, die Sekunden schienen endlos –, dann fiel er und griff nach der Pistole, die Franziska ihm entgegenhielt, ein Fuß fand wieder sicheren Halt.
    «Zieh ihn zurück», schrie Rosina, «er fällt, so zieh ihn doch vom Steg!»
    Franziska verharrte – und dann ließ sie los. Ließ einfach den Griff der Pistole fahren, hob beide Hände hoch über den Kopf wie im Triumph oder einer heidnischen Beschwörung, und der Mann, der zwei ihrer Schwestern erwürgt und eine fast vergiftet hatte, fiel zurück, tauchte ein zwischen die treibenden Schollen. Ein gurgelnd erstickter Schrei, und er ging unter, noch einmal tauchte sein Kopf aus der Flut auf, seine Arme.
    Dann trieb der nächtlich schwarze Fluss seine Wasser wieder ungestört zum Meer, stoisch, wie immer.

    Es sprach sich schnell herum. Einige Tage später standen Nachrufe im Hamburgischen Correspondent und in den Address-Comtoir-Nachrichten .
    Ansgar Hegolt, stand da zu lesen, eine aufstrebender, allgemein beliebter und um das Gemeinwohl im edelsten Bürgersinn verdienter Kaufmann und Bürger dieser Stadt, sei am vergangenen Dienstag in seinem 39. Jahr in der Elbe ertrunken. Auf Hilferufe umgehend herbeigeeilte Soldaten hatten versucht, das schreckliche Unglück zu verhindern, sie seien jedoch trotz ihrer großen Eile zu spät gekommen. Ebenso zwei namentlich unbekannte Damen, die sich zufällig in der Nähe aufgehalten hatten, von denen eine, bei ihrem selbstlosen Versuch zu helfen, beinahe selbst ein Opfer der Fluten geworden wäre. Das Mitgefühl aller empfindsamen Seelen gelte der trauernden Witwe und den hinterbliebenen Kindern, einem Sohn von zwölf Jahren und zwei Töchtern von sieben und sechs Jahren. Da die Witwe ob des Schicksalsschlages unwohl sei, bitte man von

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