Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)
heftig. «Weißt du, wohin er unterwegs ist? Und wie?»
«Geritten, denke ich. Er ist jedenfalls zum Stall hinübergegangen, er kann noch nicht sehr weit sein, es dauert immer ein paar Minuten, bis ordentlich gesattelt ist.»
«Geht es maman gut?», fragte ein dünnes Stimmchen in die heftigen der Frauen hinein. «Wir glauben, Mademoiselle macht sich große Sorgen, und wir wüssten so gerne, wo maman ist. Wir machen uns auch Sorgen. Sie ist doch so krank.»
«Meine Güte, die Kinder. Ja», Franziska trat rasch zu ihnen und strich über die beiden blonden Köpfe, «seid unbesorgt, es geht ihr gut, sogar jeden Tag besser. Sie ist ganz in der Nähe, und wir sind gekommen, euch zu ihr zu bringen. Jetzt müsst ihr noch ein Stündchen warten, könnt ihr das? Gut, dann kommen wir, ich und diese nette Dame, und holen euch. Eure maman hat große Sehnsucht nach euch.»
«Und Emanuel?», fragte Felice, die Ältere. «Emanuel soll auch mitkommen, er hat auch Sehnsucht nach maman . Und sie sicher auch nach ihm. Er ist doch unser Bruder.»
Franziska seufzte, was überhaupt nicht zu ihr passte. «Emanuel, ja, sicher. Das sehen wird dann. Jetzt seid brav und bleibt bei Alberte, sie kocht euch Schokolade oder sonst was Klebriges. Nun los, Rosina, ich habe eine Idee, wir müssen uns beeilen.»
«Lasst ihn doch verschwinden», raunte Alberte, damit die Mädchen es nicht hörten, «dann ist er endlich weg.»
Franziskas Blick wurde dunkel und sehr kalt. «Ich denke nicht daran! So einfach nicht. Zuvor will ich eine Antwort haben. Was er gerade tut, bestätigt doch, was wir bisher nur vermuten konnten.»
«England», sagten beide wie aus einem Mund, als Alberte die Tür hinter ihnen schloss.
Franziskas Auflachen klang nach böser Genugtuung. «Er macht es uns leicht: der Brief an das Englische Haus , die Münzen. Beides mag Zufall sein, aber wohin flieht einer, der vor Verfolgung sicher sein will? Auf der Insel wird keiner verfolgt, der seine Verbrechen anderswo verübt hat, es sei denn, er hat einen König ermordet, das wäre denn doch zu dick. Zum Hafen», diktierte sie, «warum fahrt Ihr nicht endlich los?»
«So geht es nicht», Rosina schüttelte den Kopf, sorgte trotzdem dafür, dass sich das Pferd in Bewegung setzte. «Ich habe aus gleichen Gründen an England gedacht, es liegt auf der Hand, wenn ich auch immer noch nicht ganz begreife, warum er plötzlich fliehen sollte.»
«Das ist doch ganz klar. Ina ist ihm entkommen; er weiß, wenn die Wirkung des Giftes nachlässt, redet sie. Er hat Angst, dass sie verstanden hat. Das ist Grund genug.»
Rosina blieb skeptisch. Selbst wenn er der Giftmischer war, musste es leicht sein, eine so schwer Erkrankte als Phantastin hinzustellen, die im Fieber Wahnideen fabrizierte. Das war nicht ungewöhnlich. Jeder würde ihm glauben, immerhin war Hegolt inzwischen ein angesehener Mann. Wenn allerdings bekannt wurde, dass er mit einer Frau ohne Familie, schlimmer noch, sehr wahrscheinlich ohne ehrliche Herkunft verheiratet war, zudem eine Betrügerin, sah es auch für seine Reputation trübe aus. Selbst wenn Ina verschwand, sobald bekannt wurde, dass er «auf so eine hereingefallen war», hatte er ganz schlechte Aussichten, weiter zum oberen Zirkel der Stadt aufzusteigen.
«Egal. Wir fahren über die Brücke und am Wall entlang», erklärte Rosina, «das geht am schnellsten. Er ist nicht einfach zum Hafen geritten, dort fänden wir ihn sowieso nie, also gehen wir nicht mal ein Risiko ein.»
«Natürlich», rief Franziska in den Lärm der nun schnell rollenden Kutsche, «Ihr wollt zur Meredith .»
«Und Ihr seid wirklich unglaublich gut informiert», rief Rosina zurück, ein kribbelndes Gefühl machte sie übermütig, ein kleines Stoßgebet, nichts und niemand möge ihr vor die Kutsche, dem Pferd vor die Hufe laufen, wurde offenbar erhört. Zwar stoben hier Hühner und Hunde, dort zwei Schweine aus dem Weg, schimpfte ein Wasserträger ihnen zornig Obszönes nach, pfiffen zwei Soldaten schrille Töne auf ihren Alarmpfeifen, stieg das Pferd eines vornehmen Reiters und galoppierte hektisch davon – aber es ging rasch, sehr rasch, was auch nötig war, die Dämmerung war weit fortgeschritten, wenn sie noch durch das Tor wollten …
«Wohin denn jetzt?», rief Franziska.
«Durchs Millerntor und um das Hornwerk zum Ufer. Dort liegt die Meredith , am vordersten Duckdalben, so gut wie außerhalb des Hafens. Wenn sie nicht schon weg ist. Sonst läuft sie morgen in aller Frühe aus, mit
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