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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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ablaufendem Wasser. Da ist ein Steg, und – ach, seht gleich selbst. O nein! Verdammt, sie schließen das Tor.»
    «Weiter», rief Franziska, «ganz nah ran.» Sie stellte sich auf, umklammerte schwankend das Verdeck und schrie: «Halt, wir müssen noch durch, eilige Ratspost. Los, Sergeant Kemper! Mensch, mach das Tor wieder auf!!»
    Ein Wunder! Allerdings nur für Rosina. Das schon halb heruntergelassene Gitter im Tor ratterte wieder hoch, sie hörte das Rasseln und Quietschen der Zugbrücke, die nun nicht weiter hinauf-, sondern wieder heruntergelassen wurde. Schon waren sie durch das erste Torgewölbe und auf der ersten Zugbrücke über den Graben auf den Ravelin, durch das zweite Gewölbe, über die zweite Brücke und endlich durch den Schlagbaum hinaus auf das Vorfeld gefahren. Soldaten standen auf ihren Posten und sahen ihnen nach, ließen dann die ächzenden Gitter herab, zogen mit den Zugwinden die Brücken herauf.
    Die Dämmerung fiel rasch, flüchtig dachte Rosina an Pauline und Tobi, die nun bald nach ihr suchten, an den armen Brooks, der ihr Pferd und Kutsche anvertraut hatte – sie würde viel Abbitte leisten müssen. Für solche Gedanken war nun keine Zeit. Sie hielt die Kutsche am Hornwerk, am Geesthang – etwa siebzig Fuß über dem Elbufer – an. Der Blick über die Elbe war gespenstisch, das Eis war längst aufgebrochen, noch trieben Eisschollen im Wasser und gaben dem Fluss etwas Schmutziges, Bedrohliches.
    Sie waren nur wenige Schritte von der großen volkreichen Stadt entfernt, von dieser gedrängten Ansammlung von Häusern und Menschen, Tieren auch, die die Tage mit allen Arten von Lärm füllten. Die Abende waren natürlich ruhiger, mit der Dunkelheit ruhten die meisten Gewerbe, blieben die meisten Menschen in ihren vier Wänden, falls sie welche hatten. Hier vor dem Festungswall hörte man kaum etwas. Als sei die Stadt meilenweit entfernt.
    Franziska legte ihren Finger auf die Lippen und zeigte zum Hornwerk hinauf, der doppelt großen Bastion über der Elbe. Irgendwo dort oben patrouillierten Soldaten oder Männer von der Bürgerwehr oder standen neben den Kanonen Wache, es roch nach Tabak, sie waren nah. Warum nicht ihnen alles überlassen?, dachte Rosina. Von dieser Stelle hatte sie sich schon einmal in ein Abenteuer gestürzt, war sie mitten in der Nacht in ein Boot gestiegen, das würde sie heute gewiss nicht tun, keinesfalls. Da unten lag die Meredith , jedenfalls waren Masten zu sehen, einige Schritte weiter unten wohl die ganze Bark. Auch von dort waren nur wenige Stimmen zu hören, Gemurmel, sie hatte gedacht, die Männer an Bord eines doch recht großen Schiffes seien in der Nacht vor dem Auslaufen emsiger. Aber es war nun fast ganz dunkel, vom Mond, der heute ohnedies nur eine schmale Sichel zeigte, noch nichts zu sehen, da gab es auf Deck nur noch wenig zu tun. Sie hockten unter Deck, spielten Karten und Würfel oder träumten von zu Hause, von der Rückkehr nach all den Monaten.
    «Wo bleibt Ihr denn?» Franziska hatte ihre Röcke geknotet und begann schon, so leise wie möglich über den schmalen Pfad den Hang hinunterzuklettern. Erde rutschte herab, kleine Steine, sie blieben stehen und hielten lauschend die Luft an. Da war etwas, ein Ächzen?
    Weiter, die letzten Schritte, und da lag die Meredith . Wie ein Gespensterschiff, keine Laterne, natürlich nicht, das war im Hafen verboten, ein Feuer sprang leicht auf andere Schiffe über und wurde zur Katastrophe. Aber da musste doch einer Wache haben – niemand war zu sehen, nur unten am Ufer –, da war ein Mann. Im viel zu feinen Rock, sein Mantelumhang lag im nassen Sand, daneben die pralle Tasche, er wirkte wie eine Schattenfigur, während er versuchte, ein aufs Ufer gezogenes Ruderboot zu bewegen. Die Männer der Meredith waren für den letzten Abend an Land gegangen, zumindest einige, nur hundert Schritte weiter auf dem Hamburger Berg gab es eine einsame kleine Schänke. Anstatt den Steg zu nutzen, hatten sie sich die Mühe mit dem Beiboot gemacht?
    Der Mann am Boot war tatsächlich Hegolt. Ansgar Hegolt, der ehrbare Kaufmann, versuchte mit verbissener, unmöglich ausreichender Kraft, ein schweres Ruderboot ins Wasser zu schieben, um zur Meredith hinüberzurudern. Wozu sonst? Aber da war doch der Steg, warum ging er nicht über den Steg? Sicher konnte man von der Bark eine Planke herüberlegen. Oder warum wartete er nicht einfach, bis die Seeleute aus der Schänke kamen und ihn mitnahmen? Er besaß Parten an dem Schiff

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