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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Tageslohn in der Tabakfabrik Hartung, dort sei aber zurzeit keine Arbeit für sie. Mehr als vier oder fünf Leute beschäftige der Fabrikant ohnedies selten, dieser Tage seien es nur zwei, nämlich seine Frau und seine Tochter. Für mehr sei nicht mehr genug Tabak da, bis die Schiffe neue Ware bringen, also wenn die Elbe wieder eisfrei ist.
    Schließlich, der letzte Haferkuchen war aufgegessen, hatte Wagner noch gefragt, woher sie sich kennen. Sie sah ihn mit großen Augen an. «Wie man sich eben kennt», erklärte sie, «Janne hat ein paar Mal etwas bei mir gekauft, schon vor Jahren, wir haben uns auch ab und zu auf dem Markt getroffen, irgendwann kennt man sich, und manchmal wird man zu Freundinnen.»
    Dann war Wagner, weil es nicht mehr weit war, in die Mattentwiete zu Rosinas Wohnung gegangen. «Und Mamsell Pauline hat gesagt, Ihr habt den Schlüssel für das Kleine Komödienhaus, da dachte ich, ich seh mal, was Ihr hier tut.» Er schwieg und sah sie fragend an.
    «Da dachtet Ihr, die Becker’sche Komödiantengesellschaft kommt und ich prüfe, was hier getan und repariert werden muss, bevor die Aufführungen beginnen können? Ich wünschte, Ihr hättet recht, Wagner. So ist es nicht, ich wollte nur mal schauen. Einfach so. Es ist eine Verschwendung, wenn diese hübsche kleine Bühne so lange leer bleibt. Auch ohne gute Theatermaschinerie eignet sie sich für viele Aufführungen sogar besser als das große Haus am Gänsemarkt, findet Ihr nicht? Das braucht tausend Menschen, um es richtig zu füllen, dieses nur zwei-, höchstens dreihundert, und auch wenn es nur hundert sind, wirkt es nicht wirklich schlecht besucht. Im Übrigen steht auch das große Haus schon wieder leer und ist unbespielt. Die Ackermann’sche Gesellschaft gastiert für den ganzen Winter, es heißt sogar bis in den Mai oder Juni, in Hannover und Celle, und von Nikolini habt Ihr gewiss gehört? Er ist bankrott», fuhr sie fort, als Wagner, der sich im Moment nicht gerade brennend für die Probleme oder Freuden der Theaterleute interessierte, sie kaum mehr als höflich fragend ansah.
    Madam Ackermann hatte den Prinzipal mit seiner Kinderpantomimentruppe von Braunschweig engagiert, um ihre eigene Gesellschaft unterhaltsamer zu machen. Als die Ackermann’schen nach Hannover zogen, blieb er mit den Kindern im Hamburg, doch so viel Erfolg er zunächst gehabt hatte – die Leute waren im Sommer ganz närrisch nach den Possen der Kinder gewesen –, so sehr ging es dann bergab. Zudem hatte er in der Manier höfischer Verschwendungssucht über seine Verhältnisse gelebt, jedenfalls war er seit einigen Tagen verschwunden, nur seine beachtlichen Schulden hatte er zurückgelassen.
    «Immerhin hat er die Kinder mitgenommen. Was auch besser für ihn ist, denn einige von ihnen soll er auf den Straßen eingesammelt haben. Womöglich gibt es Eltern, die sie vermissen, obwohl man das – auch bei Licht besehen – nicht glauben kann. Wären die Kinder entführt, gestohlen, gegen den Willen der Eltern mitgenommen, wäre es ein Leichtes gewesen, Nikolini mit seiner weithin bekannten Pantomimengesellschaft zu finden. Große Theater wie die in Braunschweig und in Hamburg kann man nicht wirklich als ein Versteck ansehen. Und wenn er eltern- und heimatlose Kinder auf den Straßen eingesammelt hat, kann ich ihm daraus keinen Vorwurf machen.»
    Wagner schwieg. Er wusste um die nur als gelungene Flucht zu bezeichnende Abreise des Pantomimenprinzipals, und natürlich wusste er, wie es vagabundierenden Kindern erging, und er wusste auch, dass Rosina jetzt an ihre eigenen ersten Tage allein auf den Straßen dachte. Er verstand nicht, warum, aber seit sie sesshaft geworden war, geschah das häufiger.
    «Vergessen wir jetzt das Theater», fuhr Rosina nachdrücklich fort, als koste es sie Mühe. «Habt Ihr die Cordes gefragt, ob sie Mamsell Elske kennt, die Schankmagd vom Eschenkrug auf dem Borgesch? Macht nichts», sagte sie, als Wagner sie nur betreten schweigend ob des Versäumnisses ansah, «es war bloß so eine Idee. Das kann man nachholen. Wie ist sie eigentlich gestorben? Ich meine, auf welche Weise? Womit?»
    «Erwürgt», erklärte Wagner knapp. «Allerdings nicht direkt mit den Händen wie die andere. Wohl mit einem Seidenband, Grabbe hat eines ganz in der Nähe der Leiche gefunden, die Stärke passt genau zu den Würgemalen an ihrem Hals. Ja, genau. Ihr Mörder muss es verloren haben, oder es ist ihm aus der Tasche geglitten, als er die Tote auf den Balken gehievt

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