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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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achtsam die Berührung mit der beschmutzten Rückenlehne meidend, darauf nieder. «Ich bin den ganzen Vormittag kreuz und quer durch die Stadt gelaufen», erklärte er entschuldigend und fuhr fort: «Ja, eine zweite Tote. Bevor Ihr sagt, das könne ein Zufall sein, was mir im Übrigen viel lieber wäre, also bevor Ihr das sagt, muss ich sagen: Es ist kein Zufall. Nein, leider. Das kann man einfach nicht glauben, selbst wenn man es möchte. Die Leute dort, und erst die Ratten – der Rat muss wirklich etwas gegen diese Rattenplage unternehmen, wie soll das erst im Sommer werden, wenn sie sich vermehren wie, wie – ja, wie Ratten eben. Wenn …»
    «Wagner!», rief Rosina lachend, auch sie spürte nun die Kälte und raffte ihren Umhang mit dem dicken Pelzkragen enger um den Körper. «Lieber Wagner, ich verstehe kein Wort. Nur, dass es eine zweite Tote gibt. Wenn ich Euch richtig interpretiere, ist auch sie keines natürlichen Todes gestorben, wie es immer so hübsch harmlos heißt. Kommt es nicht hin und wieder vor, dass innerhalb weniger Tage zwei Menschen sterben, sogar eines unnatürlichen Todes?»
    Wagner hatte sich vorgestellt, wie schon die Erwähnung der Toten und die Andeutung der Umstände ihres bedauerlichen Ablebens Rosinas Jagdinstinkt entzünden würden, zumindest ihre berüchtigte Neugier. Ausnahmsweise sah es nicht danach aus. Sie hatte anderes im Kopf. Theater! Gewöhnlich hätte er das sehr begrüßt, heute nicht. Er hätte es gern ein bisschen spannender gemacht, nun brachte er gleich seinen Trumpf ins Spiel.
    «Natürlich kommt das vor, wenn auch nicht allzu oft, zum Glück. Allerdings, in diesem Fall – die Tote heißt Janne Valentin, vielleicht auch Johanne, da ist sich die Nachbarschaft nicht einig. Seltsam, jetzt fällt mir auf, bei der ersten Toten gab es auch solche Uneinigkeiten. Nun ja, das tut wohl nichts zur Sache. Tot ist tot. Bleiben wir bei Janne Valentin. Wie sie auch heißen mag – sie ist die Frau von der Alster. Versteht Ihr? Genau», fuhr er endlich hoch befriedigt fort, als Rosina ein undamenhafter Pfiff entfuhr. «Genau. Die Frau, die sich nach vorne ans Ufer gedrängt hatte, als die erste Leiche geborgen wurde, und dann in tiefem Schrecken davongelaufen war.»
    «Ihr habt sie erkannt?» Rosina rutschte von der Rampe und begann fröstelnd auf und ab zu gehen. «Ich dachte, Ihr hättet sie dort am Ufer gar nicht beachtet.»
    «Ich habe sie sehr wohl beachtet. Leider nicht genug, ja, leider. Das stimmt. Aber es gibt überhaupt keinen Zweifel, ich habe sie heute Morgen gleich erkannt. Und dann», er hüstelte mit einem Hauch Selbstgefälligkeit, «ermittelt.»
    «Erzählt», sagte Rosina. Sie setzte sich neben ihn auf die schmutzige Bank, im Blick nichts als erwartungsvolle Neugier.
    Elise, Martha und Wiebeke Schuldt, die Nachbarinnen der Toten, hatten Wagner bereitwillig erzählt, was er wissen musste, bis auf den Namen des Mörders. Sie konnten nicht einmal mit einem Verdacht aufwarten, was Wagner erstaunlich fand, Verdächtigungen war er gewöhnt wie Regen im April, zumeist waren es falsche. Nun ja.
    Die drei hatten ihn in ihre Behausung mitgenommen, weil es draußen zu kalt sei, und er hatte wieder einmal festgestellt, wie glücklich er mit seiner eigenen bescheidenen Wohnung war. Die Wände der zugigen Kammer und der dazugehörigen Abseite zeigten feuchte Stellen, immerhin war kein Schimmel zu sehen, es roch ungut; auf dem Bett, das die drei sich teilten, lag eine Zudecke, die aussah, als enthalte sie neben Stroh oder Lumpen immerhin auch ein paar Handvoll Daunen. Sicher hatten sie einmal bessere, behaglichere Tage erlebt. Die Zimmer waren so sauber, wie sie bei diesen Lebensbedingungen sein konnten, die Feuerstelle gab sogar ein wenig Wärme – Wagner hatte schlimmere als Wohnung bezeichnete Löcher gesehen. Allerdings wollte er sich nicht vorstellen, wie es hier gewesen war, als der Frost noch klirrte.
    Die drei setzten sich auf die Bank bei der Feuerstelle, ihm blieb der Hocker. Janne – Wiebeke bestand auf Johanne – wohnte eine Etage tiefer. Ihr Mann und Sohn waren noch auf See, nur das Eis sei schuld, dass die beiden nicht längst zurück seien.
    «Dann wär das nicht passiert», erklärte Martha, die Mittlere, «niemals. Dann wär sie nicht mehr raus in die Dunkelheit gegangen, jedenfalls nicht alleine. Ohne männlichen Schutz.»
    Sie begann wieder zu weinen, der Ellbogen der Ältesten ermahnte sie, sich zusammenzureißen, was wenig nützte. Keine wusste den

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