Die Schwestern von Rose Cottage: Jo (German Edition)
eigentlich bereits gegen acht hatte nach Hause fahren wollen.
„Stell dir vor, ich hätte ihr geglaubt und wäre in der Annahme losgefahren, sie käme in wenigen Minuten nach Hause. Dann hätte Davey wieder mehrere Stunden allein sein müssen“, schloss er seine Erzählung.
„Sie lässt tatsächlich einen sechsjährigen Jungen allein?“, fragte Jo ungläubig. „Wie kann sie nur so verantwortungslos sein?“
„Dann reagiere ich also nicht übertrieben?“
„Nein, natürlich nicht. Was hat deine Exfrau sich nur dabei gedacht?“
„Sie hat gar nichts gedacht. Sie war mit einem Mann ausgegangen und hat getrunken. Und das passiert offensichtlich öfters.“
„Dann musst du etwas unternehmen“, erklärte Jo entschieden. „Du musst dein Kind schützen. Der Junge ist doch hilflos.“
Seltsamerweise schmerzte es gar nicht besonders, über Petes Sohn zu reden. Jo hätte ihn sogar gern mal gesehen. Sie wusste bereits von dem Foto, dass er wie sein Vater aussah, aber was für ein Typ war er? War er eher ein fröhliches oder eher ein introvertiertes Kind? War er so klug, wie Pete es als Kind gewesen war?
„Ich würde Davey gern mal treffen“, gab sie ehrlich zu, zögerte dann aber. „Oder ist das eine schlechte Idee?“
„Warum?“, fragte er. „Für mich wäre das in Ordnung. Aber bist du dir wirklich sicher, dass du ihn treffen willst? Ich könnte verstehen, wenn du ihn niemals sehen wolltest.“
„Wie kannst du so etwas sagen. Er hat doch keine Schuld an dem, was passiert ist. Und er ist ein Teil von dir. Natürlich wünsche ich mir, ihn kennenzulernen.“
„Dann wirst du am nächsten Wochenende die Gelegenheit dazu bekommen“, überraschte er sie. „Ich werde Davey am Freitag abholen, und er wird bis Montag bei mir bleiben. Wenn du willst, könnten wir am Samstag etwas zusammen unternehmen.“
Ein Teil von ihr hätte am liebsten sofort Ja gesagt, aber tief in ihrem Inneren bekam Jo plötzlich Angst davor, welche Konsequenzen das nach sich ziehen könnte. Was war, wenn sie Petes kleinen Jungen in ihr Herz schließen würde? Er würde niemals ihr gehören. Könnte sie es ertragen, wenn sie ihn dann nicht mehr sehen dürfte? Und wie würde seine Mutter reagieren, wenn eine Frau an Petes Seite in das Leben ihres Sohnes trat? Und dann noch sie, Jo? Würde das zwischen Pete und ihr nicht noch mehr Probleme aufwerfen? Vermutlich wartete am Ende noch mehr Kummer auf sie.
Deshalb entschied sie sich gegen ein Treffen. „Entschuldige“, flüsterte sie. „Ich glaube, es war doch eine schlechte Idee.“
Jo wollte schon aus dem Raum laufen, weil Pete die Tränen in ihren Augen nicht sehen sollte, aber er hielt sie fest, bevor sie auch nur einen Schritt machen konnte.
„Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss“, sagte er und zog sie an sich. „Für alles. Ich hätte dich nicht fragen dürfen.“
Sie lächelte unter Tränen. „Es war meine Idee“, erinnerte sie ihn. „Und dann habe ich plötzlich Angst bekommen.“
„Vor was?“
„Dass ich Davey in mein Herz schließen und ihn dann genauso verlieren könnte wie dich.“
Pete schloss die Augen und zog sie an sich. Sie konnte seinen Herzschlag hören und fühlte sich warm und geborgen.
„Denk einfach noch mal darüber nach“, sagte er schließlich. „Ich schwöre, ich werde dich nicht bedrängen, aber er ist ein wirklich großartiger Junge. Ich würde ihn dir gern vorstellen. Und ich möchte auch, dass er dich kennenlernt.“
„Wie willst du erklären, wer ich bin? Oder hat er bereits mehrere Frauen kennengelernt?“
„Es gab nicht viele Frauen in meinem Leben, seit ich geschieden bin, und Davey hat nie eine von ihnen getroffen. Du bist die Erste.“
Ihr Herz machte einen Satz. „Warum ich?“
Ihre Blicke fanden sich. „Das weißt du nicht?“
Sie hatte Angst zu raten. „Nein.“
„Du bist wichtig für mich. Du warst es immer.“
Jos Herz schlug auch in den nächsten Tagen jedes Mal schneller, wenn sie an Petes Worte dachte. „Du bist wichtig für mich“, hatte er gesagt. Sie hätte nie erwartet, dass Pete ihr so etwas gestehen würde. Nicht so, nicht so schnell. Sie wäre in seinen Armen beinahe in Tränen ausgebrochen. Aber was für ein Bild hätte sie abgegeben?
Ich darf nicht zulassen, dass diese spontan ausgesprochenen Worte meine Welt völlig auf den Kopf stellen, warnte sie sich in den folgenden Tagen immer wieder.
Schließlich war es nicht so, dass er ihr ewige Liebe geschworen hätte. Sie wäre ihm wichtig,
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