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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Gesicht benetzte, vermischte sich mit den Tränen, die in Strömen über ihre Wangen zu fließen begannen. Sie sah nichts, während sie lief, weder die Hügel und Felsen in der Ferne noch den Weg vor sich. Nur ein Bild hatte sie vor Augen – wie er dort inmitten der anderen Menschen in der Bibliothek stand. Wie konnte er der Verlobte von Cathleen sein? Edward Hampton!
    Unauslöschlich hatte sich ihr dieser Anblick ins Gedächtnis gebrannt. Er war genauso überrascht und entsetzt gewesen wie sie. Amalia hatte es gesehen – doch es tröstete sie nicht.
    Sie hatte mit dem zukünftigen Ehemann ihrer Schwester geschlafen, sie war seine Geliebte! Unwillkürlich rannte sie bei dieser schrecklichen Erkenntnis noch ein wenig schneller.
    Irgendwann brannten ihre Lungen. Erst als sie außer Atem den Schritt verlangsamte, erkannte sie vor sich die knorrigen Krüppeleichen von Whistman’s Wood. Wie von fremder Hand gelenkt, hatte sie den Weg hierher gefunden. Noch immer liefen ihr Tränen über die Wangen, und sie lehnte sich erschöpft gegen einen der Bäume, als könnte er ihr Trost geben. Doch den gab es nicht. Es war so furchtbar, was geschehen war, dass sie schauderte. Und es war ihre Schuld. Sie hatte sich geweigert und ihm nicht ihren Namen sagen wollen. Im Nachhinein fielen ihr auf einmal so viele Bemerkungen von Cathleen über Edward Hampton ein. Hätte sie nicht zumindest einmal den Verdacht haben müssen, dass es derselbe Mann sein könnte, über den sie sprach? Nein, dachte sie dann, ihre Schwester hatte zwar erzählt, dass Edward Hampton ungewöhnlich gut aussehe, dass er markante Gesichtszüge und dunkles Haar habe, aber ansonsten hatten Cathleens Beschreibungen nichts, aber auch wirklich gar nichts mit dem Mann gemein gehabt, den Amalia kennen und lieben gelernt hatte.
    Ein leichter Regen hatte eingesetzt, und Amalia sank am Fuße des Baums zitternd auf einen der großen Steine, die verstreut zwischen den Krüppeleichen herumlagen. Cathleen durfte nicht erfahren, was geschehen war, fuhr es ihr durch den Kopf. Es würde alles zerstören. Ihre Schwester und sie hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt, und doch hatte Amalia ihr nicht ein einziges Wort von dem Mann erzählt, der in den letzten Wochen eine immer stärkere Bedeutung für sie bekommen hatte. Niemals würde Cathleen ihr glauben, dass sie seinen Namen nicht gekannt hatte. Im Nachhinein klang es selbst für sie unglaubwürdig. Sie versuchte, sich die Tränen, die nicht versiegen wollten, von ihren Wangen zu wischen. In sich spürte sie einen tiefen betäubenden Schmerz. Edward würde ihre Schwester heiraten. Er hatte keine Wahl, das hatte er ihr selbst gesagt. Er musste heiraten. Dunkel entsann sie sich auf einmal, dass Cathleen ihr etwas von den finanziellen Schwierigkeiten der Hamptons erzählt hatte. Nur deshalb kam diese Verbindung vermutlich überhaupt infrage. Auf einmal ergab alles einen Zusammenhang. Edwards Verzweiflung, Cathleens Unsicherheit … Ihre Schwester würde die Frau sein, die an seiner Seite leben und in der Gesellschaft glänzen würde. Er hätte keine bessere Wahl treffen können, musste Amalia voller Bitterkeit zugeben. Eine bohrende Eifersucht ergriff sie bei der Vorstellung, dass Cathleen und er sich jemals so lieben könnten, wie sie es getan hatten. Dabei liebte sie ihre Schwester, sie war ein Stück von ihr. Wie konnte ausgerechnet der Mann, den Cathleen heiraten sollte, ihr eigener Geliebter geworden sein?, fragte sie sich erneut. Amalia schlang die Arme um ihre Knie und barg schluchzend den Kopf darauf. Es zerriss sie. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass man einen solchen Schmerz in sich fühlen konnte. Es würde für sie und Edward keine Zukunft geben. Auch nicht als seine Geliebte. Selbst diese Nebenrolle würde ihr nicht gestattet sein, und trotzdem würde sie zugleich den Anblick der beiden ertragen müssen. Das würde ihr Leben sein!
    Amalia hatte keine Ahnung, wie lange sie so gesessen hatte, als ihr klar wurde, dass sie zurückgehen musste. Sie würden nach ihr suchen, wenn sie zu lange fortblieb. Sie wischte sich mit den Fingern über die Wangen und erhob sich mühsam von dem Stein. Ihr Verhalten würde ohnehin für Aufsehen gesorgt haben. Sie musste sich irgendeine Ausrede einfallen lassen, warum sie fortgerannt war. Ihre Mutter würde außer sich sein und sich vermutlich wieder einmal nur darin bestätigt fühlen, dass sich der Verlust ihres Gehörs auf ihre geistigen Fähigkeiten ausgewirkt hatte.

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