Die Schwestern von Sherwood: Roman
wollte. Es schien ihrer Mutter äußerst wichtig zu sein.
»Cathleen wird heiraten.«
Sie nickte, da ihre Schwester ihr diese Neuigkeit ja bereits mitgeteilt hatte.
»Es ist eine ungewöhnliche Ehre und eine große Chance für deine Schwester, dass ein Mann wie der Earl of Hampton um ihre Hand angehalten hat …« Ihre Mutter brach ab, um zu überprüfen, ob sie das Gesagte verstanden hatte.
Amalia nickte pflichtschuldig.
»Die Hamptons werden uns nächstes Wochenende mit der gesamten Familie einen Besuch abstatten, und ich möchte, dass sie nur den besten Eindruck von Cathleen und uns, ihrer Familie, erhalten.«
Ihr Gesicht hatte mit einem Mal einen strengen, unnachgiebigen Ausdruck bekommen. Amalia verspürte einen schalen Geschmack im Mund, denn sie ahnte, worauf ihre Mutter hinauswollte. Natürlich, darum ging es ihr – wie immer. Von Beginn an war es ihr vor anderen unangenehm und peinlich gewesen, dass sie taub war. Einen kurzen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke, und Amalia wurde plötzlich bewusst, wie kalt und einsam es für sie auf Sherwood werden würde, wenn Cathleen erst geheiratet hatte.
Sie griff nach dem Block. Ich freue mich für Cathleen, und ich werde alles dafür tun, damit die Hamptons nur den besten Eindruck von uns bekommen!
Ihre Mutter las, was sie geschrieben hatte. Doch es schien ihr nicht zu reichen. Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, bevor sie erneut sprach. »Du wirst nicht reden!«
Als ob sie das jemals in den letzten Jahren getan hätte, dachte Amalia voller Bitterkeit, doch sie nickte beklommen.
»Und du wirst auf keinen Fall diese seltsamen Zeichen machen, hast du verstanden?«
Sie nickte erneut, auch wenn sie sich fragte, wie sie sich dann verständigen sollte. Sie würde wie eine Marionette am Tisch sitzen, hübsch lächelnd, ohne dass sie verstand, was um sie herum gesprochen wurde. Das war es, was ihre Mutter wollte, und sie ahnte, dass sie sie wahrscheinlich am liebsten ganz verleugnet hätte, wenn sie gekonnt hätte. Für einen Moment stieg die Erinnerung an all die Verletzungen und Zurückweisungen, die sie in den Jahren durch sie erlitten hatte, schmerzhaft in ihr hoch. Eine leise Wut ergriff sie. Dann nahm sie von Neuem den Block. Ich werde nicht reden, und ich werde keine Zeichen machen. Ist das alles, was du von mir wolltest?
Ihre Mutter nickte überrascht. Die Strenge war aus ihrem Gesicht gewichen, und kurz wirkte es so, als wollte sie noch etwas sagen, als suchte sie nach irgendeinem verbindenden Wort zwischen ihnen.
Doch Amalia schenkte ihr nur einen kühlen Blick.
»Ja, das war alles. Danke«, sagte ihre Mutter, und die Entschlossenheit war in ihr Gesicht zurückgekehrt.
71
D ie Miene von Lady Hampton war unnatürlich starr, während sie aus dem Fenster der Kutsche blickte. Edward saß an ihrer Seite, ihre beiden Töchter ihr gegenüber. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Man hörte nur den Hufschlag der Pferde und das Rollen der Wagenräder. Sie hätte wenn schon nicht Freude, dann doch zumindest Erleichterung empfinden sollen, dachte Lady Hampton. Doch es gelang ihr einfach nicht. Dabei hatte John Sherwood noch am selben Tag, als Edward offiziell um die Hand seiner Tochter anhielt, an die Banken und Anwälte in London telegrafiert, dass er mit der Vermählung der beiden sämtliche finanziellen Verpflichtungen des Hauses Hampton übernehmen würde. Der drohende Bankrott war damit abgewendet, aber Lady Hampton vermochte nur daran zu denken, was die Leute sagen würden, wenn sie von dieser Verlobung erfuhren. Wie konnte eine so ehrwürdige Familie nur ihren Namen für eine solche Heirat hergeben, eine Verbindung mit Emporkömmlingen wie den Sherwoods eingehen, Leuten, die noch vor nicht allzu langer Zeit allein von ihrer Hände Arbeit gelebt hatten! Nicht nur hier in Devon, sondern auch in London am Hof und im ganzen übrigen Land würde das über Wochen für Gesprächsstoff sorgen.
Immerhin, das Mädchen war annehmbar, versuchte sich Lady Hampton zu trösten. Cathleen Sherwood war das Erbe ihrer Eltern nicht anzumerken. Sie war hübsch, besaß einen untadeligen Ruf und dank ihrer Gouvernante auch die nötige Erziehung und Bildung, um Edward nicht in peinliche Situationen zu stürzen. Bei den Begegnungen der beiden, bei denen Lady Hampton anwesend war, hatte sie darüber hinaus wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass die junge Frau zu ihrem Sohn aufschaute, ja ihn geradezu zu vergöttern schien.
Lady Hampton ließ ihre
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