Die Schwestern von Sherwood: Roman
Tränen aus dem kreidebleichen Gesicht. »Es geht um unsere Verlobung.«
Überrascht schaute er sie an.
»Bitte verstehe mich nicht falsch, aber ich kann nicht. Es geht einfach nicht. Nicht jetzt, da Amalia … Ich werde Zeit brauchen. Sie war alles für mich.«
Er nickte, während ihm die Absurdität dieser Situation bewusst wurde – dass ausgerechnet sie ihn darum bat und ihm in seinem Schmerz auf einmal so nahe war. Cathleen erschien ihm in ihrer Trauer wie ein Spiegel seiner selbst.
Sie wollte die Verlobung nicht! Es erfüllte ihn mit Erleichterung, das zu hören. Doch er brachte es nicht über sich, ihr in dieser Situation die ganze Wahrheit von sich und Amalia zu erzählen. Ein Blick in ihr schmerzerfülltes Gesicht sagte ihm, dass es keinen Grund gab, sie noch zusätzlich zu ihrem Leid zu verletzen. Nicht jetzt, nicht hier … Er ging einen Schritt auf sie zu und nahm ihre Hand. »Es ist in Ordnung, Cathleen. Mach dir keine Gedanken. Ich verstehe dich. Besser, als du denkst.«
»Danke.« Plötzlich lehnte sie an seiner Brust, und er spürte, wie ihr Körper von Schluchzen geschüttelt wurde. Er kämpfte eisern um Beherrschung. Es war die Umarmung eines Menschen, der Trost suchte, und so ließ er es zu. Er strich ihr beruhigend über den Rücken, während er versuchte, sich nicht von seiner eigenen Trauer und Verzweiflung überwältigen zu lassen.
87
I n den Tagen danach klammerte er sich immer wieder an die einzig positive Nachricht – daran, dass man ihre Leiche nicht fand. Man nahm an, dass sie in den Fluss gestürzt und von dem reißenden Strom ein ganzes Stück mitgerissen worden war und ein Erdrutsch sie später irgendwo unter sich begraben hatte.
Tagelang ritt er durchs Moor und suchte selbst nach ihr. Er wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Das Gefühl, dass sie noch lebte, mochte nicht weichen, und er erkannte, dass es ihm nicht allein so ging. Cathleen, die er in Sherwood besuchte, um in Erfahrung zu bringen, ob es nicht doch Neuigkeiten oder irgendeine Spur von Amalia gab, gestand ihm, dass sie mehrmals von ihrer Schwester geträumt habe.
»Mein Verstand sagt mir, dass sie tot ist, aber ich fühle etwas anderes – als ob unsere Seelen noch immer verbunden wären«, sagte sie. Sie spazierten durch den Garten in Sherwood, liefen verloren nebeneinander her. »Ich mache mir Vorwürfe. In letzter Zeit hatte sie sich verändert, sich innerlich sogar von mir zurückgezogen, und ich habe nicht verstanden, warum.«
Starr hörte Edward ihr zu.
»Dabei wirkte sie nicht unglücklich. Im Gegenteil«, fügte Cathleen nachdenklich hinzu.
Edward schwieg. Sein Blick glitt über die Bäume und Sträucher, zwischen denen Amalia als Kind gespielt hatte. Es hatte etwas Tröstliches, an dem Ort zu sein, wo sie selbst gelebt hatte.
»Erzähl mir von ihr«, bat er plötzlich.
Cathleen blickte ihn überrascht an. »Amalia und ich, wir waren schon immer in besonderer Weise verbunden«, begann sie zögernd zu berichten. »Schon als Kinder. Als wenn die eine ein Stück von der anderen wäre …«
Edward hörte zu, wie sie von früher sprach, von der schweren Zeit, in der Amalia das Gehör verlor, von ihren Spielen als Kinder und wie sie in den Jahren danach hier zusammen aufgewachsen waren.
Er sog jedes Wort in sich auf und stellte Fragen, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie tief es ihn berührte, diese Dinge über Amalia zu hören. Cathleens Erzählungen ließen sie zum Leben auferstehen, und es schien Edward wie ein Geschenk, so viel über die Frau, die er liebte, erfahren zu können, das sein Bild von ihr in ungeahnter Weise ergänzte.
Cathleen wiederum tat es gut, über ihre Schwester zu sprechen. So bildeten sie auf eigenartige Weise in ihrer Trauer um Amalia eine Schicksalsgemeinschaft, und Edward begann, regelmäßig nach Sherwood zu kommen. Die gemeinsamen Gespräche waren das Einzige, was ihm in seiner Trauer und Verzweiflung Halt gab, denn er hatte das Gefühl, Amalia dadurch nahe zu sein.
Ihm war klar, dass sein Verhalten missgedeutet werden musste, dass alle glauben würden, er wolle Cathleen zur Seite stehen und sei noch immer an einer Verlobung mit ihr interessiert. Dem Gesicht seiner Mutter sah er zumindest deutlich an, wie erleichtert sie war, wenn er nach Sherwood fuhr. Doch es war ihm gleichgültig, was sie dachten.
John Sherwood hielt die Banken und Gläubiger noch immer hin. Er hatte ihnen telegrafisch von dem Unglücksfall berichtet, der es erfordern würde, die Hochzeit zu
Weitere Kostenlose Bücher