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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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nicht. Im Grunde war es nicht verwunderlich, wenn sich die zurückliegenden Ereignisse auch körperlich bei ihr niedergeschlagen hatten. Seine Besorgnis wuchs. Als er im Hof einritt, befahl er dem Stallknecht, sofort die Kutsche fertig zu machen.
    »Ja, Mylord!«
    Er lief mit schnellen Schritten ins Haus, um seine Reitsachen gegen eine angemessene Kleidung zu wechseln, als seine Mutter aus der Tür des Salons in die Halle trat.
    »Edward?«
    »Verzeih, ich bin in Eile …«
    »Ich muss mit dir sprechen.« Etwas in ihrem Ton ließ ihn innehalten. Ihr Gesicht war unnatürlich blass. Er versuchte, gegen das ungute Gefühl anzukämpfen, das in ihm aufstieg, und folgte ihr in den Salon.
    »Wenn es nicht wirklich wichtig ist …« Er blieb in der Mitte des Raums stehen.
    »Ich war heute Vormittag bei den Sherwoods«, unterbrach sie ihn.
    Überrascht schaute er sie an, und ihm fiel auf, dass sie seinem Blick auswich. Ihr Gesicht schien noch eine Spur weißer als zuvor.
    »Setz dich«, bat sie.
    Er schüttelte den Kopf, während er spürte, wie in ihm alles in einer dunklen Ahnung zu erstarren begann, noch bevor sie den nächsten Satz aussprach.
    »Amalia … Es gab ein Unglück«, stieß sie hervor. »Sie war bei dem Unwetter vor ein paar Tagen draußen im Moor und ist nicht zurückgekehrt. Gestern hat man unten am Dart River ihren Umhang gefunden und einige Meilen weiter auch einen ihrer Schuhe …«, sagte Lady Hampton leise.
    Ihre Worte drangen wie durch einen Nebel zu ihm. Er hatte das Gefühl, jemand würde ihm den Boden unter den Füßen wegziehen, und die Angst ergriff mit solcher Gewalt von ihm Besitz, dass er für einen Augenblick um seinen Verstand fürchtete. Er griff Halt suchend nach dem Kaminsims neben sich. »Nein!« Der schneidende Klang seiner eigenen Stimme hallte gespenstisch in seinen Ohren wider. Das konnte nicht sein. Nein! Sie würden heiraten. Amalia würde seine Frau werden …
    Seine Mutter war verstummt. Erschrocken blickte sie ihn an. »Edward, es tut mir so leid«, sagte sie schließlich leise. »Ich war nicht für diese Heirat. Das weißt du. Aber das … Es gibt keinen Zweifel. Sie haben zwei Tage nach ihr gesucht.«
    Voller Entsetzen hörte er zu, wie sie stockend berichtete, dass man das Moor in einem Umkreis von sieben Meilen von Sherwood durchkämmt hatte – von Osten nach Westen und Norden nach Süden. Noch während des Unwetters hatte man damit begonnen. Doch die heftigen Regenfälle und der Sturm hatten die Suche auf unvorhersehbare Weise erschwert und anfangs nahezu unmöglich gemacht.
    »Du hast ja nicht gesehen, wie schlimm es war. Aber abseits der großen Wege konnte man kaum einen Schritt machen, ohne im tiefen Morast zu versinken, und an vielen Stellen stand das Land ganz unter Wasser. Sie haben Hunde eingesetzt, aber ihre Spur war nicht mehr aufzunehmen«, erklärte Lady Hampton tonlos.
    Er starrte sie wie betäubt an. Bilder stiegen vor seinen Augen auf: der Sturm, der erbarmungslos durchs Moor peitschte, Bäume, die wie Halme umknickten, der schlickige Morast, in dem man zu versinken drohte, Flüsse, die zu reißenden Strömen geworden waren, und dazwischen Amalias Gesicht. Ihre blauen Augen, in deren Blick man wie in eine andere Welt tauchte, aus der man nie wieder zurückkehren wollte. Er meinte ihr helles Lachen zu hören – das Einzige, was er jemals von ihrer Stimme vernommen hatte – und glaubte, die Berührung ihrer Lippen auf seinem Mund zu spüren, als hätten sie sich eben erst geküsst.
    Seine Hand umklammerte das Samtkästchen mit dem Ring in seiner Tasche, und ein letztes Stück seines Selbst weigerte sich, das eben Gehörte zu glauben. Nein, es konnte nicht sein! Doch dann entsann er sich, dass er auf dem Rückweg vom Cottage eine Gruppe von Männern gesehen hatte. Sie waren mit langen Stöcken bewaffnet gewesen. Nicht weit vom Fluss waren sie über die Moorebene gelaufen, deren morastigen Boden sie stochernd nach etwas durchsucht hatten. Mit Stöcken …
    »Wann? Wann ist sie verschwunden?«, brach es aus ihm heraus.
    »Am ersten Tag des Unwetters«, erwiderte Lady Hampton leise. »Der Regen hatte etwas nachgelassen … Niemand versteht, warum Amalia das Haus verlassen hat. Allerdings scheint sie wohl oft allein im Moor unterwegs gewesen zu sein.«
    Edward hörte ihr kaum zu. Warum hatte Amalia sich bei diesem Wetter rausgewagt? Es ähnelte ihr nicht, so unvorsichtig zu sein. Sie kannte das Moor. Amalia war hier aufgewachsen, und sie hatten sogar einmal

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