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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Freundin nicht zu Scherzen aufgelegt war. »Selbstverständlich! Was glaubst du denn?«
    »Wo hast du ihn? Ich muss unbedingt etwas daraus haben.«
    »Um diese Zeit …? Er ist im Keller.«
    Irene bedeutete ihr, ihr zu folgen. Sie stiegen die Treppe hinab. Eine kahle Glühbirne brannte im Keller über ihren Köpfen. Irene begann, gezielt Kisten wegzuräumen, hinter denen sie schließlich den verstaubten Koffer hervorholte.
    Melinda starrte die Beschläge auf dem dunkelbraunen Leder an. Sie erinnerte sich wieder an den Tag, an dem sie den Koffer hierhergebracht hatte. Es war wenige Wochen nach dem Tod ihrer Mutter gewesen, als sich die Bombenangriffe derart häuften, dass es fast an ein Wunder grenzte, wenn ein Haus anschließend noch stand.
    Der Koffer enthielt die wichtigsten Dinge, die Melinda besaß – Dokumente, persönliche Habseligkeiten und Erinnerungsstücke, die mit keinem Geld dieser Welt aufzuwiegen waren. Sie öffnete den Verschluss und klappte den Deckel auf. Ihre Kehle schnürte sich zu, als sie die Sachen ihrer Mutter sah – ihr Lieblingshalstuch, ein Gedichtband, die Schatulle mit ihrem alten Schmuck …
    Diese Dinge hatte Melinda zuletzt in den Koffer gepackt. Sie spürte, wie die Vergangenheit mit eisigen Fingern nach ihr griff. Melinda, dieser Krieg – er wird vorbeigehen, und du musst leben. Egal, was du Schreckliches gesehen oder erlebt hast. Du darfst dich nicht davon festhalten lassen, hast du verstanden? Versprich es mir …
    Es war nur wenige Tage vor ihrem Tod, als ihre Mutter das gesagt hatte. Melinda vertrieb das Bild vor ihren Augen und begann, den Koffer zu durchsuchen. In ihrem Rücken spürte sie den Blick von Irene.
    Schließlich fand sie, was sie suchte: eine dunkelgrüne Schachtel. Melinda öffnete sie und nahm die schwarz-weißen Schachfiguren heraus. Es war ein antikes Spiel. Ihre Mutter hatte es besessen, solange sie sich erinnern konnte. Sie hatte die Figuren nie aufgestellt oder damit gespielt, aber die Schachtel hatte immer in ihrem Schlafzimmer gestanden. Als kleines Mädchen hatte Melinda die Figuren einmal herausnehmen und damit spielen wollen, aber ihre Mutter hatte sie ihr mit sanfter Bestimmtheit fortgenommen. Das Spiel ist sehr alt und nicht mehr vollständig, mein Schatz. Es ist nicht mehr zum Spielen gedacht, sondern nur eine Erinnerung, hatte sie gesagt. Ein Schauer ergriff Melinda jetzt, als sie die Figuren ansah, deren fein geschnittene Gesichtszüge sie nur noch vage in Erinnerung gehabt hatte. Eine der weißen Figuren fehlte – die Dame. Sie hatte sich nicht geirrt!
    »Alles in Ordnung?«, fragte Irene, die neben ihr stand und sie irritiert beobachtete.
    Doch Melinda antwortete nicht, sondern griff in ihre Handtasche und zog den kleinen Samtbeutel hervor, der die Schatulle enthielt. Sie öffnete sie und nahm die rote Dame heraus – sie wies die gleichen filigranen Züge auf wie die anderen Figuren und war identisch mit der schwarzen Dame. Lediglich der Marmor war rot gefärbt, als hätte ihr jemand dadurch eine besondere Bedeutung verleihen wollen.
    Es bestand kein Zweifel!
    Sie blickte Irene an.
    Viel später – nachdem Melinda mit der Freundin in der Küche gefrühstückt und ihr von ihrer Entdeckung in dem Antiquariat erzählt hatte, die die Erinnerung an das Schachspiel wachrief – fuhr sie aufgewühlt wieder zurück nach Berlin. In ihrem Zimmer holte sie noch einmal die Bilder hervor. Ihre Finger strichen über eine der Zeichnungen, auf denen das Herrenhaus zu sehen war, und für einen Augenblick hatte sie die Mauern und Umrisse so lebendig vor Augen, als würde sie direkt davorstehen. Nachdenklich verzog sie ihr schmales Gesicht. Welches Geheimnis verbarg sich dahinter?

ELISABETH

9
     
    Südengland, Dartmoor 1881
    D ie alten Bäume erschienen ihr an diesem Morgen groß und bedrohlich – genauso wie der Nebel, der sich nur zögernd über dem Moor lichten wollte. In der Ferne konnte man die graue Linie der Hügel und Felsen sehen, die in den Himmel überging, als hätte jemand mit einem Pinsel darübergewischt. Ein leichter Wind wehte vom Dartmoor herüber. Normalerweise liebte Elisabeth diesen Blick in die Weite, den sie vom Schlafzimmer des Herrenhauses aus hatte – er stand für alles, was sie jemals hatte erreichen wollen. Doch heute fand sie die Sicht aus den dreiflügligen Fenstern beklemmend. Ein angespannter Ausdruck zeigte sich auf ihrem Gesicht. Sie hatte schlecht geschlafen und war mitten in der Nacht aufgeschreckt. Der Traum, den sie

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