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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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gehabt hatte, war verstörend: Sie stand draußen jenseits des schmiedeeisernen Zauns vor dem Anwesen und rüttelte voller Angst an dem Tor. Dann hatte sie an sich hinuntergeschaut und entdeckt, dass sie ein altes verschlissenes Kleid trug und wieder arm war. Es war ein furchtbares Gefühl gewesen, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Fast so wie damals – nein, schlimmer, dachte Elisabeth, denn vor siebzehn Jahren, als sie tatsächlich hier vor dem Herrenhaus stand und nichts besaß, hatte sie nur die Armut gekannt, während sie heute im Traum vom Reichtum zurück ins tiefste Elend gestürzt war. Schweißgebadet war sie aufgewacht. Selbst jetzt lief ihr bei der Vorstellung, dass es ihr jemals wieder so ergehen könnte, noch ein Schauer über den Rücken. Obgleich es überhaupt keinen Grund für ihre Befürchtungen gab. Sie und John waren reich, reicher, als sie jemals gehofft hatten. Und dennoch ließ Elisabeth die Angst nicht los. Im Gegenteil – seitdem sie im letzten Jahr hierhergezogen waren und das ehemalige Anwesen Landshire gekauft hatten, das inzwischen Sherwood hieß, war dieses Gefühl ständig gegenwärtig. Dabei war mit dem Kauf ihr größter Wunsch in Erfüllung gegangen.
    Elisabeth strich sich ihr dunkelblondes Haar aus dem Gesicht und sah gegen ihren Willen für einen kurzen Augenblick wieder sich selbst vor sich, wie sie damals hier vor dem Tor gestanden hatte. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und hatte gerade das Kind verloren. Ein Anflug von Schuldbewusstsein ergriff sie bei der Erinnerung daran, aber nur einen flüchtigen Moment lang. Sie hatte nie – wie alle geglaubt hatten – um dieses Leben getrauert. Nein, sie war froh gewesen, dass das Baby nicht zur Welt gekommen war. Ein harter Zug zeigte sich in ihrem Gesicht. Sie hatte nicht gewollt, dass ihr Kind in Armut aufwuchs. Eine Zeit lang hatte sie sogar überlegt, selbst nachzuhelfen. Doch sie kannte niemanden und hatte zu viele Geschichten von Frauen gehört, die dabei gestorben waren. John und sie hatten damals alles verloren, jedes mühsam zusammengesparte Pfund. Sie entsann sich noch, wie er eines Abends nach Hause gekommen war und begeistert erzählt hatte, dass er einen Tipp bekommen habe und man in den Kolonien angeblich ein neues exotisches Gewürz mit einem unaussprechlichen Namen, die Tashinastarkrinde, entdeckt habe. Es sei mit dem Zimt verwandt und würde so wie einst Pfeffer und Zucker den Weltmarkt erobern. Sie würden damit unermesslich reich werden! Schon im Jahr zuvor hatte John zweimal ihr gesamtes Geld verloren, doch nun war er so überzeugt, dass er nicht nur das Letzte nahm, was sie selbst besaßen, sondern sich zusätzlich sogar noch Geld lieh, um Wertpapiere der neu gegründeten Gesellschaft zu kaufen, die mit dem Gewürz handeln wollte. Nach zehn Monaten stellte sich jedoch heraus, dass es bitter und ungenießbar wurde, wenn es mit bestimmten Lebensmitteln in Kontakt kam. So behauptete man zumindest. Vielleicht war es auch von Anfang an ein Betrug gewesen. Sie erfuhren es nie und verloren abermals alles. Da sie darüber hinaus nun auch noch Schulden hatten, stürzten sie von der Armut ins tiefste Elend. Nicht einmal mehr ein Dach über dem Kopf hatten sie. Als Elisabeth dann die Fehlgeburt erlitt, brachte John sie von London zu seiner Schwester Ella und seinem Schwager Finley nach Devon. Es ging ihr sehr schlecht. Die Schwangerschaft war bereits weit fortgeschritten gewesen, und sie hatte viel Blut verloren. Mehrere Wochen hatte sie bei Johns Schwester und seinem Schwager verbringen müssen.
    Elisabeth wandte sich vom Fenster ab und bemühte sich, die unangenehmen Bilder von früher aus ihrem Kopf zu vertreiben, doch es gelang ihr nicht recht. Der Traum ließ wieder alles so gegenwärtig erscheinen, als wäre es erst gestern geschehen. Unwillkürlich sah sie das Cottage vor sich, in dem Ella und Finley mit ihren Kindern in zwei winzigen Zimmern und einer Küche lebten. Ein Geruch von Kohl, verkochtem Essen und saurer Milch hatte ständig in der Luft gelegen, die Kälte war durch die Fugen gezogen, und eines der Kinder schrie immer.
    Elisabeths Blick streifte den goldumrahmten Spiegel über ihrem Frisiertisch, und sie bemerkte, dass sie bei der Erinnerung angewidert die Lippen zusammenpresste. Schon damals hatte sie die Armut abgestoßen. »Zumindest hast du ein Bett«, hatte John leise gesagt. Er musste nach London zurück, um eine Arbeit zu finden, und sie war seiner Schwester Ella

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