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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Wertpapiere des Kolonialhandels zu investieren. Klüger und bedachter als früher, aber noch immer mit dem nötigen Quäntchen Wagnis, das nötig war, um ein Vermögen zu erschaffen, hatte er über die Jahre investiert. Und so waren es zwar auch Kaffee, Tee, Gewürze und Seide, aber vor allem Materialien wie Holz, Stahl und Eisen – aus denen man Eisenbahnen und Schiffe baute, die man mehr und mehr für Industrie und Handel brauchte –, die ihnen erst zu wirklichem Reichtum verholfen hatten.
    »Gefällt es Ihnen so, Madam?« Fannys Stimme brachte sie zurück in die Gegenwart.
    »Wie bitte?«
    »Ob es Ihnen so gefällt?« Die Kammerzofe, die ihr den Schal um die Schultern drapiert hatte, blickte sie fragend an.
    In der Tat war die Verwandlung, die Elisabeth unter Fannys kundigen Fingern erfuhr, immer wieder beeindruckend. Aus dem Spiegel blickte ihr die Gestalt einer echten englischen Dame entgegen. Ein Anfang, dachte Elisabeth, denn es würde nicht leicht sein, auch von den Leuten als solche angesehen zu werden. Ähnlich wie ihr Vermögen würden sie sich auch die Anerkennung der hiesigen Gesellschaft hart erarbeiten müssen. Das hatte Elisabeth inzwischen begriffen. Anfangs hatte sie geglaubt, es würde gerade hier auf dem Lande einfacher sein. Diese Annahme war mit ein Grund gewesen, warum John und sie das Anwesen im Dartmoor gekauft hatten, doch das Gegenteil war der Fall.
    Als sie kurz nach ihrem Einzug hier einen Empfang gegeben hatten, war von den umliegenden Herrenhäusern und Landsitzen kaum jemand ihrer Einladung gefolgt. Mit Ausnahme von Mrs Fincher – die allerdings selbst als Emporkömmling galt, weil ihr Mann, ein Fabrikbesitzer, ursprünglich aus einfachsten Verhältnissen stammte – begegnete man ihnen kühl und reserviert und ließ sie deutlich spüren, dass sie nicht dazugehörten. Nie wurden sie zu einem Ball oder auch nur einem Dinner eingeladen.
    Die Arroganz und Ablehnung traf Elisabeth mehr als John, der noch nie besonders viel darum gegeben hatte, was man von ihm dachte. Doch sie war eine Kämpferin. Wenn es ihr gelungen war, sich mit John aus dem tiefsten Elend hochzuarbeiten und ein Vermögen aufzubauen, würde sie es auch irgendwie schaffen, die Anerkennung dieser Leute zu erlangen. Auf Anraten von Mrs Fincher hatte sie deshalb nicht nur eine Kammerzofe und einen Butler eingestellt, sondern auch eine Gouvernante mit vorzüglichem Ruf. Miss Carrington hatte vorher die Kinder eines Barons unterrichtet und hatte sich – nachdem John ihre anfänglichen Bedenken, bei ihnen zu arbeiten, durch eine entsprechende Lohnerhöhung aus dem Weg geräumt hatte – bereit erklärt, sich nun um Amalias und Cathleens Erziehung zu kümmern.
    Elisabeths Blick streifte noch einmal den Spiegel, bevor sie sich auf den Weg nach unten machte. Auf der Schwelle zum Salon entspannten sich ihre Gesichtszüge. Sie blieb für einen Augenblick stehen und sah zu ihren beiden Töchtern, die in ihren langen, weißen Kleidchen mit den Schleifen auf dem Rücken selbst von Weitem eine Augenweide waren. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. Nur ein gutes Jahr trennte die beiden Mädchen, die sechs und sieben Jahre alt waren. Cathleen, die Ältere, hatte die dunklen Haare und grünen Augen von John. Obwohl sie schon jetzt eine Schönheit zu werden versprach, verblasste jedoch selbst sie neben ihrer jüngeren Schwester. Mit mütterlichem Stolz betrachtete Elisabeth die kleine Amalia, die gerade etwas malte. Mit ihren hellblonden Haaren, den blauen Augen und ungewöhnlich zarten Gesichtszügen hatte sie etwas von einem Engel. Manchmal konnte sie nicht glauben, dass dieses Geschöpf tatsächlich ihre Tochter sein sollte. Selbst Fremde blieben auf der Straße stehen, um das Mädchen entzückt anzuschauen. Ja, ihre Töchter waren ihr eigentlicher Trumpf, wusste Elisabeth.
    10
     
    D er Garten von Sherwood war trunken vor Grün. Der große, von Blumenrabatten umsäumte Rasen, der sanft den Hügel hinabfiel, genauso wie die Bäume, die Büsche und hohen Sträucher und auch die Farne hinten am Teich. Geöffnete Blütenkelche reckten sich dem Licht entgegen, und jede Pflanze schien neue Triebe zu zeigen, wuchs, ja wucherte, als wäre die Natur nach den langen Regentagen unter den ersten Sonnenstrahlen geradezu explodiert. Aus dem Springbrunnen auf dem Hof sprudelte von allen Seiten in hohen Bögen das Wasser, und an den Kirschbäumen, die in einer schmalen Allee nach hinten zum Bach und Teich führten, waren zarte, rosafarbene

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