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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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reges Treiben in dem Fabrikhof geherrscht. Menschen liefen überall herum, und zahlreiche Fuhrwagen standen im Hof. Aus den Schornsteinen war Rauch gestiegen, und durch die vielen Fenster hatte man die Köpfe der Arbeiter und Arbeiterinnen erkennen können.
    Jetzt war ein Teil der Fenster vernagelt. Niemand schien mehr dort zu arbeiten, und auch sonst war es erschreckend leer und ruhig. Beunruhigt betrat Amalia das Gebäude und stieg die Treppen zu dem Büro des Abteilungsleiters hoch. Es lag im ersten Stock, wie sie sich erinnerte. Sie betrat das Vorzimmer, in dem ein älterer Sekretär mit sorgfältig gescheitelten Haaren und einem Zwicker auf der Nase saß, der sie grüßte und fragend anblickte.
    Amalia reichte ihm ihren Block, auf dem sie bereits notiert hatte, wer sie war, und darum bat, mit dem Leiter der Stoffabteilung sprechen zu können.
    Der Sekretär nickte und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
    Zu Amalias Erleichterung erkannte der Abteilungsleiter sie sofort wieder. »Miss Griffith!«
    Er bot ihr einen Stuhl an. Sie bedankte sich mit einem Nicken, doch ihr fiel auf, dass Mr Fraser nervös die Hände rang.
    Amalia schenkte ihm ein freundliches Lächeln und schrieb etwas auf ihren Block: Ich habe in der letzten Zeit wenig Aufträge bekommen …
    Mr Fraser nickte betreten. Es schien ihm unangenehm zu sein. »Es gibt einen Grund dafür … Sie verstehen, was ich sage, oder?«, unterbrach er sich und deutete auf seine Lippen.
    Amalia nickte.
    »Das Unternehmen hat leider große Schwierigkeiten. Ich will ehrlich sein, die Fabrik wird nicht überleben können. Die Konkurrenz ist groß. Unsere Herstellungskosten sind zu hoch. Es ist günstiger, die Stoffe direkt in den Kolonien weben zu lassen …« Sorgenvoll hatte er die Stirn verzogen, und sein Blick verlor sich in der Ferne. Dann schien er sich zu erinnern, dass sie vor ihm saß. Er seufzte. »Ich fürchte, Miss Griffith, es wird uns nicht möglich sein, Ihnen weitere Aufträge zu erteilen. Die Fabrik wird zum Quartalsende ihre Pforten schließen. Es tut mir leid.«
    Ungläubig sah sie ihn an. Die Endgültigkeit dieser Aussage traf Amalia. Sie hatte ihre Arbeit sehr gemocht, aber vor allem – wovon sollte sie jetzt leben?
    Benommen lief sie wenig später nach Hause. Sie würde sich etwas Neues suchen müssen. Bei Deaf Friends würde man ihr bestimmt helfen, überlegte sie. Es war ihr nur ein kleiner Trost, dass sie dort im Notfall immer ein Dach über dem Kopf hatte und auch etwas zu essen bekommen würde. Doch das wollte sie nicht. Sie verdankte der Organisation bereits so viel, dass sie ihre Unterstützung nicht noch mehr in Anspruch nehmen mochte. Außerdem wohnte sie mit Grace zusammen. Konnte sie ihren Anteil der Miete nächsten Monat nicht zahlen, würde auch die Freundin in Schwierigkeiten geraten. Aber Amalia hatte das Geld nicht.
    Voller Schuldbewusstsein ließ sie sich am Ufer der Themse auf einer Bank nieder. Selbst wenn sie schnell eine neue Arbeit fände, würde sie den Lohn erst am Monatsende bekommen. Niedergeschlagen beobachtete sie ein vorbeifahrendes Frachtschiff. Sie war arm und besaß nichts, was sie hätte verkaufen können … Etwas schon, fiel ihr dann ein. Alles in ihr wehrte sich gegen den Gedanken, aber sie hatte keine Wahl. Sie musste dankbar sein, dass sie diese Möglichkeit überhaupt hatte. Was brachte es, an Dingen zu hängen, die ohnehin nur mit der Vergangenheit zu tun hatten? Sie würde nie wieder zurückkehren. Es war vorbei …
    Als sie nach Hause kam, holte sie schweren Herzens die Schachtel aus ihrer Kommode hervor und öffnete sie. Einen Moment lang betrachtete Amalia die Schachfiguren. Ihre Finger strichen zart darüber, doch dann schloss sie den Deckel wieder und drehte die Schachtel um. Auf der Rückseite war der Stempel eines Londoner Antiquitätengeschäfts zu sehen. Red Lions Antiques . Vielleicht konnte sie sie dort auch wieder verkaufen.
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    E dward war froh, Hampton für einige Wochen verlassen zu können. Ein paar Tage hatte er in Plymouth verbracht, um sich dort einen Überblick über die Geschäftssituation von Cathleens verstorbenem Vater zu verschaffen – sie war beunruhigend schlecht – , dann war er nach London weitergereist.
    Der plötzliche Tod von John Sherwood hatte sie alle mitgenommen. Ein Herzinfarkt, so hatten die Ärzte im Nachhinein diagnostiziert. Nicht weiter verwunderlich angesichts seines Allgemeinzustands, fügten sie hinzu und hatten dabei ein wenig die Nase gerümpft, da selbst der

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