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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Stein eigens für den Lehrer den Weg in ihre Sammlung gefunden.
    Trotz der vielen Stunden, die er sie unterrichtete, machte Amalia kaum Fortschritte.
    »Vielleicht sollte man dafür sorgen, dass du nicht so viel Kontakt mit deiner Schwester hast. Eure Zeichensprache ist schuld daran, dass du nicht besser sprichst«, sagte Mr Beans. Ein bösartiger Funke glomm in seinen Augen auf. Und er sprach tatsächlich mit ihren Eltern darüber.
    Doch Miss Carrington stellte sich unerwartet dagegen. Die Gouvernante, die sie weiterhin in allen anderen Bereichen betreute, spürte, was in ihr vorging, und versuchte ihr gut zuzureden.
    »Es ist wichtig für dich, dass du sprichst, Amalia. Du musst es versuchen«, las sie von ihren Lippen. Sie nickte. Sie wollte ja, doch sobald sie sich Mr Beans gegenübersah, war sie wie blockiert. Manchmal kämpfte sie mit den Tränen, denn sie spürte, wie sehr er die Macht, die er über sie besaß, genoss, wie es ihm gefiel, sie die Silben wieder und wieder nachsprechen zu lassen und sie dabei zu behandeln, als hätte sie durch die Krankheit nicht nur ihr Gehör verloren, sondern sei auch dumm und begriffsstutzig geworden.
    Und nicht nur er schien das zu glauben. An einem Nachmittag, als der Lehrer sie wieder einmal die Laute und schließlich einen Satz endlos wiederholen ließ, bemerkte sie plötzlich, dass ihre Mutter hinter ihnen ins Schulzimmer getreten war. Ein bestürzter, ja beinahe angewiderter Ausdruck hatte sich in ihr Gesicht gekerbt, und Amalia begriff, dass sie die Art, wie sie sprach, kaum ertragen konnte. Wortlos und ohne jede Geste drehte ihre Mutter sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. Tränen schossen Amalia in die Augen, und sie fühlte sich, als hätte ihr jemand ins Gesicht geschlagen.

MELINDA

33
     
    Dartmoor, Februar 1948
    S ind Sie von allen guten Geistern verlassen?« Die Worte klangen harsch.
    Melinda starrte den Mann, der wie aus dem Nichts vor ihr aus dem Nebel aufgetaucht und von seinem Pferd gesprungen war, ungläubig an.
    Ihr Herz raste noch immer. Zumindest hörte sich die tiefe Stimme des Unbekannten trotz des wenig freundlichen Tons erfreulich menschlich an. Es schien sich weder um einen zum Leben erwachten Moordämon noch um einen Triebtäter zu handeln.
    »Dasselbe könnte ich Sie wohl fragen!«, erwiderte sie aufgebracht, als sie endlich ihre Stimme wiederfand. Ächzend erhob sie sich aus dem Matsch. Sie war mit dem Oberschenkel auf einen Stein geprallt und spürte einen schmerzhaften Stich, als sie das Bein streckte. »Sie haben mich zu Tode erschreckt!«, fuhr sie ihn an.
    Der Unbekannte hatte ihr die Hand hingestreckt, doch Melinda ignorierte sie. Ihr Regencape war verrutscht und der Mantel darunter völlig durchnässt. Schlammspritzer zierten ihn, und zu allem Übel merkte sie, dass hinten im Nacken das Wasser durch einen frei liegenden Spalt ihren Rücken hinunterrann.
    Der Mann, der mit der anderen Hand sein Pferd an den Zügeln hielt, musterte sie. Für einen kurzen Augenblick flackerte ein seltsam überraschter Ausdruck in seinen Augen auf.
    »Was um Gottes willen haben Sie hier draußen verloren?«, fragte er schließlich.
    Diese Frage stellte sich Melinda gerade selbst. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können, den Hauptweg zu verlassen, und dann war auch noch ihre Fantasie mit ihr durchgegangen. Ihr Blick glitt zu dem Mann vor ihr. Er war ein ganzes Stück größer als sie, breitschultrig und ungefähr in den Dreißigern. Im Gegensatz zu ihr war er mit Hut, Wachstuchjacke und Stiefeln, an denen der Regen einfach abzuperlen schien, allerdings bestens für das schlechte Wetter gerüstet.
    »Ich wollte eigentlich nach Whistman’s Wood. Der Nebel hat mich überrascht …« Sie brach ab. Im Grunde schuldete sie ihm keine Erklärung!, ging es ihr durch den Kopf.
    Seine Augen waren noch immer in einer durchdringenden Weise auf sie gerichtet, die sie nicht zu deuten wusste. Gegen ihren Willen musste Melinda sich eingestehen, dass er mit seinen markanten Gesichtszügen gut aussah. Die Situation, allein mit ihm hier draußen im Moor in den Nebelschwaden zu stehen, hatte etwas Verwirrendes. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, dachte sie. Aber das konnte nicht sein.
    »Hat Ihnen niemand gesagt, dass es gefährlich ist, sich bei diesem Wetter hier herumzutreiben?«
    »Doch, aber mir war nicht klar, dass der Pfad, auf dem ich mich befinde, kein richtiger Weg ist … Ich werde sehen, dass ich so schnell wie möglich

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