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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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hatte die vielen Blicke der Töchter und Mütter auf sich gespürt, die ihn fälschlicherweise noch immer für einen begehrenswerten Kandidaten hielten, und das Spiel mitgespielt, obwohl es ihn abstieß. Die Aussicht, dass dies sein Leben sein sollte, war ihm unerträglich. Immer wieder hatte sich dabei während der gesamten Abende das Bild von ihr vor seine Augen geschoben. Seine unbekannte Schöne, die ihm nicht ihren Namen verraten wollte. Warum nur? War es ihr unangenehm, weil sie aus einfachen Verhältnissen stammte? Es verstärkte nur die ohnehin geheimnisvolle Aura, die sie umgab.
    Sie war so offen, so natürlich anmutig – wie affektiert waren ihm all die jungen Mädchen auf dem Ball dagegen vorgekommen! Nie zuvor hatte er eine Frau getroffen, bei der er gleichzeitig den Wunsch verspürte, sie zu beschützen und dann wieder sie an sich zu reißen und auf der Stelle leidenschaftlich zu lieben.
    So vieles an ihr war widersprüchlich. Sie konnte lesen und schreiben und malte wundervoll. Bei ihrem letzten Treffen hatte er sie gefragt, von wem sie diese Dinge gelernt hatte. Von ihren Eltern? Er hatte die Fragen aufgeschrieben, und sie hatte ein leises Lachen ausgestoßen und einige Zeichen gemacht, die klarmachten, dass ihre Eltern dazu ganz gewiss nicht in der Lage waren. Ein seltsamer Ausdruck war über ihr schönes Gesicht geglitten. Eine Frau hat mir das alles beigebracht , schrieb sie dann. Ich verdanke ihr sehr viel .
    Diese spärlichen Informationen, die er über sie bekam, machten ihre Person nur noch mysteriöser. Seine Neugier war so groß, dass er sich manchmal mit dem Gedanken trug, sie heimlich zu verfolgen, nur um herauszubekommen, wo sie zu Hause war. Doch er respektierte sie zu sehr, um sich in solcher Form ihrem Wunsch zu widersetzen. Ihm war klar, dass es alles zwischen ihnen würde zerstören können.
    Es machte ihm Spaß, ihr Schach beizubringen. Sie besaß eine rasche Auffassungsgabe und einen unerwartet eigenständigen Geist. Wenn sie ein Wort nicht von seinen Lippen lesen oder seine spontan improvisierten Zeichen und Gesten nicht verstehen konnte, schrieb er es auf. Oft brachte sie ihm auch die entsprechenden Gebärden bei. Er entsann sich, wie seltsam es ihm anfangs vorgekommen war, sich auf diese Weise mit ihr zu unterhalten, aber ihre Verständigung war so schnell einfach und selbstverständlich geworden, und er begriff auch, dass diese Sprache ein Teil ihrer Welt war.
    Ihr Lächeln war ihm ohnehin Belohnung genug. Es war erotisierend, mit ihr in der Einsamkeit vor dem Spiel zu sitzen, zuzusehen, wie sie die Figuren in ihre Finger nahm und bewegte und ihm dabei unter ihren langen Wimpern einen Blick zuwarf. Er bemühte sich, sich zurückzuhalten, er wollte sie nicht erschrecken, aber wenn sie sich küssten, spürte er, wie brennend er sie zur Geliebten haben wollte. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er jedoch Skrupel.
    Als wenn eine unsichtbare Macht ihn zur Vernunft rufen wollte, tauchte bei diesem Gedanken seine Mutter vor ihm in der Halle auf.
    »Edward, du hast Besuch. Charles ist vorbeigekommen. Rebecca und Emily sind mit ihm in der Bibliothek.«
    Er ließ sich von dem Butler aus dem Mantel helfen und nickte. Charles war ein alter Schulfreund aus Eton.
    Seine Mutter wartete, bis sich der Butler entfernt hatte. »Wir müssen uns später unterhalten. Es gibt Neuigkeiten«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Ich fürchte, sie werden dir nicht gefallen …«
    Überrascht schaute er sie an. Sie rang fahrig die Hände und wirkte etwas angeschlagen. Es entsprach nicht dem Charakter seiner Mutter, nervös zu sein, dachte er. Im Geiste ging er die Namen auf der Liste durch, denn er war sich sicher, dass es um eine der Kandidatinnen von ihr ging. Augenscheinlich handelte es sich um die von ihm am wenigsten favorisierte Option. Er ließ sich seine Unruhe nicht anmerken.
    »Wir sprechen miteinander, sobald Charles gegangen ist«, erklärte er.
    Sie nickte angespannt. »Danke, Edward.«
    61
     
    C harles Ashburn und Edward Hampton waren seit ihren Jugendtagen in Eton eng befreundet. Als dritter von vier Söhnen von Lord Ashburn war dem Freund keine andere Wahl geblieben, als zu studieren und einen Beruf zu ergreifen. Solange Edward zurückdenken konnte, hatte er Charles im gleichen Maße glühend um diese Freiheit beneidet, mit der er sein Leben gestalten konnte, wie dieser ihn um die Rechte des Erstgeborenen und die Aussicht, eines Tages Earl zu werden. Während der Krankheit von Edwards

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