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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Vater war Charles, der zum Militär gegangen und Arzt geworden war, regelmäßig zu Besuch gekommen und hatte ihnen zur Seite gestanden.
    »Wie geht’s?«, fragte er jetzt, als Edward zu ihm in die Bibliothek trat und seine Schwestern sich zurückzogen, um die beiden Männer allein zu lassen.
    Edward ließ sich in einen Sessel sinken und zuckte die Achseln. Charles gehörte zu den wenigen, die über die katastrophale Situation der Familie auf dem Laufenden waren, und er gab sich daher keine Mühe, dem Freund etwas vorzumachen.
    »Wie auf einem untergehenden Schiff«, gab er ehrlich zur Antwort.
    »So schlimm?« Charles zündete sich mit prüfendem Blick eine Zigarre an. »Und was wirst du jetzt tun? Eine Verbindung mit einer reichen Erbin eingehen?«, fragte er spöttisch, während er den Rauch ausblies.
    »Wie es aussieht, wird mir wohl keine andere Wahl bleiben.«
    Charles grinste, als er die düstere Miene des Freundes bemerkte. »Ausgerechnet du. Aber seien wir ehrlich, es gibt Schlimmeres, mein Lieber, und es wird dich kaum daran hindern, weiter die eine oder andere Affäre zu haben.«
    Edward nickte stumm. Er wünschte, er hätte die Situation so wie Charles empfinden können. Dabei hatte der Freund recht mit seiner Bemerkung.
    Die beiden Männer nahmen einen Drink und unterhielten sich ein wenig über Charles’ neue Stelle, der als leitender Arzt an ein Militärhospital gegangen war, als Edward eine andere Frage durch den Kopf schoss.
    »Kennst du dich eigentlich als Mediziner mit Taubheit aus?«
    Charles stellte erstaunt sein Glas ab und nahm einen Zug von seiner Zigarre. »Hast du etwa Probleme mit deinem Gehör bekommen? Dafür bist du eigentlich ein bisschen zu jung.«
    Edward schüttelte den Kopf. »Aber nein. Ich hatte nur darüber nachgedacht und mich gefragt, wodurch man eigentlich taub wird. Ist das angeboren?«
    »Viele Taube sind es von Geburt an, manche haben aber auch später durch Krankheiten ihr Gehör verloren.«
    »Und wie lebt man damit?«
    Charles starrte ihn verwundert an. »Wie man damit lebt?«
    »Ja, wie verständigt man sich? Es ist doch eine starke Einschränkung, wenn man nicht hören kann.«
    »Natürlich ist es das.« Der Freund zuckte die Achseln. »Man versucht, ihnen trotzdem das Sprechen beizubringen, und lehrt sie, von den Lippen zu lesen. Es ist sehr langwierig und auf jeden Fall einfacher, wenn sie nicht von Geburt an taub sind.«
    Sie sprach nicht. Bedeutete das, dass sie von Geburt an taub war?
    »Auf jeden Fall hat es Auswirkungen auf die Intelligenz«, fuhr Charles in seinen Erklärungen fort.
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, die Sprache ist eng mit unserem Denken verbunden. Wie soll es sich entfalten können, wenn man nicht richtig sprechen kann, nicht wahr? Mir sind einige Taube im Krankenhaus begegnet, und die meisten von ihnen wirkten geistig zurückgeblieben, vergleichbar mit Kindern, und manche schienen sogar am Rande des Schwachsinns.«
    »Das scheint mir etwas hart formuliert«, sagte Edward kühl. Die Art, wie der Freund darüber sprach, gefiel ihm nicht. Wie wollte er beurteilen, dass die geistigen Fähigkeiten eines tauben Menschen eingeschränkt waren, wenn er doch nicht richtig mit ihm sprechen konnte und nicht wusste, was in seinem Kopf vorging?
    »Es gibt so etwas wie ein Fingeralphabet, aber das kann man natürlich nur verwenden, wenn sie auch ein wenig lesen und schreiben können«, setzte Charles hinzu, als spürte er, dass ihn seine Antworten nicht ganz zufriedenstellten.
    Das Gespräch zwischen den beiden Männern wandte sich schließlich wieder anderen Themen zu.
    Als Charles sich etwas später verabschiedete und ihn fragte, ob er ihn noch in den Herrenclub nach Tavistock begleiten würde, schüttelte Edward den Kopf. »Ein anderes Mal. Ich bin ein wenig müde von der Fahrt aus London und habe noch einiges zu erledigen«, gab er zur Antwort, denn er hatte nicht vergessen, dass seine Mutter noch mit ihm sprechen wollte.
    Einen Augenblick später sah er dem Freund hinterher, wie er in die Kutsche stieg und davonfuhr. Dann begab er sich die breit geschwungene Treppe in den ersten Stock hinauf.
    Lady Hampton hatte sich bereits zurückgezogen, wie er von der Kammerzofe erfuhr. Er klopfte an ihr Zimmer und stellte überrascht fest, dass sie im Halbdunkeln bewegungslos auf einem Stuhl saß und nach draußen starrte.
    »Komm herein. Sei so gut und zünde die Leuchter an«, sagte sie auf seinen irritierten Blick hin.
    Er tat wie ihm geheißen und setzte sich

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