Die Schwestern von Sherwood: Roman
zu genießen. Sie stand oben im Vorraum des Ballsaals am Fenster, als Edward Hampton unten mit seinen beiden Schwestern, Emily und Rebecca, zwischen den aufgestellten Fackeln aus einer der Kutschen stieg, die vor dem Herrenhaus vorfuhren. Wie gut er aussah, schoss es Cathleen durch den Kopf, und dabei war ihr der Gedanke, er könnte sich ihr einzig aus Interesse an dem Geld ihrer Eltern zuwenden, doppelt unerträglich. Lieber verzichtete sie auf ihn, dachte sie erneut.
Sie wandte sich vom Fenster ab und bemühte sich, sich an dem Gespräch ihrer Freundin Lucy mit ihrem Bruder Richard Tennyson zu beteiligen.
Später im Ballsaal kam Edward Hampton direkt auf sie zugeschlendert. Sie versteifte sich, als er vor ihr stehen blieb.
»Guten Abend, Miss Sherwood.«
»Lord Hampton.« Sie neigte knapp den Kopf.
»Nun, ich denke, Sie sollten mir wohl die Ehre erweisen, mir einen Tanz zu schenken.« Sein ironischer Unterton, in dem selbst jetzt noch Herablassung lag, war nicht zu überhören.
»Danke, Sie müssen nicht aus Pflichtgefühl mit mir tanzen«, erwiderte sie kalt. Sie straffte die Schultern und war plötzlich froh, dass sie das elegante, grüne Seidenkleid aus London trug.
»Aus Pflichtgefühl?« Seine Lippen kräuselten sich, und sie hasste ihn umso mehr, weil dieser Ausdruck ihn nur noch attraktiver aussehen ließ. »Sie meinen, weil Ihre Mutter der meinen einen Besuch abgestattet hat und dabei so übereifrig unser beider Zukunft zum Thema gemacht hat?«, setzte er voller Spott hinzu.
Cathleen wurde flammend rot. »Sie müssen mich nicht demütigen. Mir ist sehr wohl bewusst, aus welcher Familie Sie stammen und aus welcher ich!«, stieß sie hervor, drehte sich auf dem Absatz um und ließ ihn einfach stehen. Es kostete sie ihre gesamte Beherrschung, nicht zu rennen. Sie hastete aus dem Ballsaal in einen der Vorräume und trat ans geöffnete Fenster. Schritte waren hinter ihr zu hören.
»Verzeihen Sie, das war nicht sehr höflich von mir!«, gab Edward Hampton zu.
Sie schwieg.
Er fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar und schien nach den richtigen Worten zu suchen.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Miss Sherwood. Sie sind reizend. Die meisten Männer würden sich vermutlich glücklich schätzen, Sie zur Frau zu bekommen, doch ich bin ganz sicher der Falsche für Sie. Dessen sollten Sie sich bewusst sein.«
Die Überheblichkeit seiner Worte ärgerte sie. Trotzig hob sie das Kinn. »Woher wollen Sie das wissen?«
»Sie haben etwas Besseres verdient. Ich weiß es. Glauben Sie mir!« Das Mitleid in seinem Blick irritierte sie. Sie sah ihn vor sich, wie er ihr damals als Junge den Bonbon zurückgegeben hatte. Und mit einem Mal geriet ihre ganze Abwehr ins Wanken. Solange sie zurückdenken konnte, hatte sie sich keinen anderen Mann gewünscht als ihn.
»Tanzen Sie mit mir«, bat sie.
Er zögerte, und ein resignierter Ausdruck glitt über sein schönes, markantes Gesicht, doch dann reichte er ihr mit vollendeter Höflichkeit den Arm und führte sie zur Tanzfläche.
68
D ie Stunden bis zum Nachmittag schienen jedes Mal Ewigkeiten zu dauern, so kam es Amalia vor. Das letzte Stück Weg lief sie auch heute so schnell, dass sie außer Atem war, als sie das Cottage schließlich erreichte. Sie hatte kaum die Schwelle überschritten, als er sie auch schon in seine Arme riss und küsste. Voller Leidenschaft gab sie sich seinen Umarmungen hin, nach denen sie sich den ganzen Tag gesehnt hatte. Zwischen zwei Küssen hielt er inne und umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht. Wilde Entschlossenheit lag in seinen Augen. Verrate mir deinen Namen! Sag mir, wer du bist.
Amalia verspürte einen schmerzhaften Stich. Ein Teil von ihr hätte nichts lieber getan als das, doch es ging nicht. Sie konnte sich ihm nicht ganz offenbaren. Es war ihr letzter Schutz.
Er küsste sie von Neuem, zügellos und fordernd, als könne er ihre Antwort so erzwingen. Ihr Umhang fiel zu Boden, und wenige Augenblicke später hatten sie sich ihrer Kleidung entledigt und liebten sich wie von Sinnen.
Später lagen sie nackt nebeneinander. Es war behaglich warm in dem Cottage, und Amalia schmiegte sich an ihn.
Das hier ist deiner nicht würdig. Du hättest Paläste verdient, hatte er nach dem ersten Mal gesagt. Sie hatte den Kopf geschüttelt, denn für sie hätte es keinen schöneren Ort als diesen schlichten Raum geben können. Er hatte wie jetzt mit aufgestütztem Arm neben ihr gelegen, eine Strähne ihres hellen Haars um seinen
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