Die Schwestern
völlig hilflos, denn es gab nichts, was sie hätte tun können. Sie wusste nicht, wo Jake wohnte, und selbst wenn,
wäre es trotzdem riskant, Kontakt aufzunehmen. Delia war vermutlich noch bei ihm. In seinem Bett.
Angespannt und besorgt machte sich Deana auf den Weg in die Agentur. Es sah ihr sonst gar nicht ähnlich, aber heute achtete
sie ständig auf die Türklingel, das Telefon und alle Geräusche in ihrer Umgebung. Außerdem marschierte sie mehrere Male vor
dem Fenster auf und ab. Später ertappte sie sich dabei, wie sie die Menschenmengen in der U-Bahn nach dem vertrauten Gesicht, das ihrem bis aufs Ei glich, absuchte. Eine irrationale und alberne Reaktion.
Als Freiberuflerin konnte Deana selbst entscheiden, wann sie kam und ging. Dies nutzte sie häufig aus, um von zu Hause aus
zu arbeiten, aber gelegentlich verlangte Robin, der die Agentur leitete, dass sie sich potenziellen Kunden zeigte und sich
wieder mehr ihren Pflichten widmete. Ausgerechnet heute war so ein Tag.
Und es war außerdem ein Tag, an dem die Zeit unerträglich langsam verstrich. Ihre Inspiration war völlig verdörrt, und sie
brachte nichts Vernünftiges zustande. Sie empfand ihre Arbeit bedrückend, und auch die Stadt wirkte öde in der ungewöhnlichen
Hitze. Deana versuchte mehrere Male, Delia bei De Guile International anzurufen, aber es hieß jedes Mal, sie sei gerade «in
einem Meeting», «beim Mittagessen» oder einfach «beschäftigt».
Beschäftigt. Was genau sollte das heißen? War sie bei Jake? Wurde von ihm umgarnt oder gequält? Oder vielleicht sogar beides?
Deana ließ ihren Stift auf den Schreibtisch fallen. Ihre Gedanken kreisten pausenlos um Jake. Jake, der in seiner Schönheit
auf einem ledernen Bürostuhl saß, Delia rittlings auf ihm – so wie er sie selbst in der Limousine genommen hatte. Sie schüttelte
den Kopf, um den Gedanken zu verjagen, doch es gab kein Entrinnen. Als Nächstes sah sie sich – oder war es Delia? – der Länge
nach ausgestreckt auf einem großen Schreibtisch aus Eichenholz liegen. Jake, der zwischen ihren Schenkeln stand und in sie
hineinstieß.
Als sie erschöpft und ausgelaugt zu Hause ankam, hörte Deana von draußen, dass der Fernseher eingeschaltet war. Wie es schien,
war Delia wieder da. Aber ging es ihr auch gut? Deana wagte kaum, nach ihr zu rufen.
Als sie das Wohnzimmer betrat, stach ihr zuerst eine jener weißen, rechteckigen Schachteln ins Auge, wie sie von exklusiven
Boutiquen zum Verpacken der kostbaren Stücke benutzt wurden. Deana war schon öfter mit solchen Kartons nach Hause gekommen,
Delia hingegen nie. Ihre Kleidung kam in einer Plastikhülle … wenn überhaupt.
Das Logo des Designers kannte sie nicht, dabei hätte sie etwas wie «Janet Reger» oder «La Perla» oder ein anderes Label vermutet,
aber die Aufschrift lautete lediglich «Circe». Deanas geübtes Auge erkannte sofort den Schrifttyp, Palatino kursiv, 36 Punkt. Sehr schlicht, sehr edel … aber warum der Name einer Zauberin, die Männer in Schweine verwandelte? Sicher, Jake war ein Chauvinist, aber ein Schwein
war er nicht. Im Gegenteil, er war zügellos, dekadent und besaß einen ausgeprägten Hang zu perversen Spielereien, und doch
war er der kultivierteste Mann, dem sie je begegnet war. Keine Frau – sie selbst in ihren wildesten Momenten mit eingeschlossen
– könnte ihn je seiner natürlichen Eleganz berauben.
Die Schachtel stammte vermutlich von ihm, obwohl sich Delia, berauscht vom ausschweifenden Liebesspiel, vielleicht etwas gegönnt
haben mochte. Deana kannte dieses Bedürfnis und befriedigte es in der Regel mit einem Gemälde oder ein paar Büchern. Oder
einigen von diesen riesigen, handgemachten belgischen Pralinen, die das Gourmet-Äquivalent eines Orgasmus waren.
Als sie die Schachtel öffnete, waren sämtliche Zweifel bezüglich der Herkunft ihres Inhalts auf einen Schlag ausgelöscht.
Es gab momentan nur eine Person in ihrem und Delias Leben, die so etwas kaufen würde … Deana berührte das Leder, und ihr Bauch verkrampfte sich. Als sie den Inhalt schließlich herausnahm, wurde ihr ein wenig
schwindelig vor Erregung. Typisch Jake, ihr so etwas zu kaufen.
«So etwas» war das außergewöhnlichste Stück Damenunterwäsche, das sie je gesehen hatte. Ein steifes Korsett aus reinem, weißen
Leder, das mit Spitze verziert war. Sie strich mit zitternden Fingern über das glänzende, erotische Mieder.
Trag es für mich, hörte sie
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