Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
Schwestern-Büchern, Spells of Wonder und der vierten Ausgabe von Marion Zimmer Bradley’s Fantasy Magazine erschienen. Sie hat einen Abschluss am Reed College gemacht, besitzt auf wahre Amazonenart einen Schwarzen Kung-Fu-Gürtel, ist Chiropraktikerin und Mutter zweier Töchter. - MZB
Ein Mittsommernachtsgeschenk
von Deborah Wheeler
Nach Gavriela n’ha Alys’ Meinung war der Abend vor der Mittsommernacht nicht die beste Zeit, um den dichten Wald zu durchqueren, der an den Venza-Fluss grenzte. Es war warm und mehr oder weniger still unter dem grünen Baldachin und sogar auf den gelegentlich von Wildblumen gesprenkelten Lichtungen, wo die massiven Harzbäume wie Fackeln gebrannt hatten und ihre Nachfolger noch nicht ausgewachsen waren. Die drei Entsagenden waren offenbar die einzigen Lebewesen in jenem Wald, wenn man von einem hier und da in der Ferne auftauchenden Vogel absah. Es gab auch keine Spuren von Banditen, die einer kleinen Gruppe wie dieser gefährlich werden konnten. Um zufällige Begegnungen zu vermeiden, hatte Fiona, die Führerin, eine Route gewählt, die fernab von ihrem Territorium lag.
Hätte Gavi bestimmen dürfen, hätte sie noch einige Tage gewartet, doch auf Fiona und Maire wartete Arbeit in Hali, und sie wusste aus schmerzlicher Erfahrung, dass sie besser nicht allein reiste. Sie hatte Fiona im Gildenhaus von Thendara, wo sie das Hebammenhandwerk erlernte, nicht sehr gut gekannt, doch inzwischen wünschte sie sich, sie wäre ihr nie begegnet. Seit Rosario hinter ihnen lag, zogen Maire und sie Gavi ständig damit auf, dass sie das Mittsommerfest verpassen würden. Manchmal stichelten sie im herablassenden Tonfall von Erwachsenen, die ein Kind schalten, das nur an ungesunde Süßigkeiten dachte. Manchmal aber verletzte sie ihr Gelächter mehr, als die beiden sich vorstellten.
Gavi presste die Lippen aufeinander und wischte die Schweißtropfen ab, die sich auf ihrem glatten, rotbraunen Haar sammelten. Dass sie Männer mochte, stand nicht in Widerspruch zu ihrem Eid. Sie hatte nur geschworen, niemals das Eigentum eines Mannes zu werden. Wenn sie wollte, konnte sie sogar eine Freipartnerehe eingehen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kam, war ebenso gering wie die, dass man sie zur Bewahrerin von Arilinn ernannte. Wenn man den Eid der Entsagenden und die Hebammenethik bedachte - den Gatten einer Gebärenden mit übertrieben gewissenhafter Redlichkeit zu behandeln -, war die Chance denkbar gering, einem Mann zu begegnen, der ihr Herz rührte. So blieben ihr nur Träume und die Hoffnung auf die Mittsommernacht.
Ich habe meinen Eid nie bereut. Auch wenn ich im Haus meines Vaters geblieben wäre und seinen Wünschen gemäß geheiratet hätte, wäre nichts anders gewesen. Sie wischte sich erneut das Gesicht ab und bemerkte eine einsame Träne unter den Schweißtropfen.
»Lasst uns das Lager heute früher aufschlagen und ein eigenes Fest feiern«, sagte Maire lachend. Sie trat zur Seite, um Gavi vorbeizulassen. Dann hakte sie sich bei Fiona ein.
»Tolle Idee«, sagte Fiona. »In meiner Flasche ist noch etwas Wein.«
Gavi seufzte, ignorierte Maires Kichern und ging allein über den schmalen Pfad weiter. Vorsichtig stieg sie über einen umgestürzten Schößling, blieb stehen und lauschte. Das vor ihnen liegende Gehölz war so dicht, dass der Pfad in einer dichten grünen Wand zu verschwinden schien. Ihr fragmentarisch ausgeprägtes Laran, das ihr als Hebamme besondere Empfindsamkeit verlieh, stieß eine schrille Warnung aus.
Maire knallte gegen ihren Rücken und stolperte lachend, doch Fiona wurde auf der Stelle wachsam. »Was ist denn, Gavi?«
»Vor uns ist etwas … Aber ich kann nichts hören.«
Lautlos zog Fiona das lange Messer aus der Scheide und baute sich vor den anderen Frauen auf. Ihre spröden Gesichtszüge zeigten nun nicht mehr die geringste Spur von Erheiterung. Als Gavi und Maire ihre Messer zogen, betete Gavi darum, dass sie das ihre nicht einzusetzen brauchte. Sie war nie eine geübte Kämpferin gewesen, und ihr Hebammeneid verpflichtete sie, Leben zu erhalten und zu hegen.
Fiona glitt wie ein dahinfließender Schatten auf dem Pfad voran.
Die Zweige teilten sich so elegant vor ihr, als würden sie vom Wind bewegt. Gavi und Maire folgten so leise wie möglich. Kurz darauf hörte Gavi, dass in den Büschen etwas raschelte.
An dieser Stelle verlief der Pfad gerade und war auf eine kurze Distanz deutlich zu überblicken. Fiona blieb stehen und duckte sich
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