Die Schwesternschaft
hatte.«
»Und dieser Jemand hat einen Fehler begangen, stimmtâs?«
»Nein«, erwiderte der Inspektor zufrieden. »Sein Fehler war, dass er absolut keinen Fehler begangen hat.«
»Was soll das heiÃen?«, drängte Kirill mit verärgerter Miene.
»Es gibt fast keinen russischen Hacker, der zu einer derartigen Aktion fähig wäre, ohne einen Fehler zu begehen. Natives Programm ⦠keine fehlgeschlagenen Versuche, den Code zu knacken ⦠nun ja, also ich verstehe nicht viel von der Materie, aber meine Leute haben mir erklärt, dass es sich um die Arbeit eines absoluten Profis handelt. Unser Verdacht fiel daher auf den besten und gefährlichsten von allen.«
»Und wer ist das?«
Fëdor öffnete die Mappe, die vor ihm lag, und reichte Kirill ein Aktenbündel. Es waren die Unterlagen zu einem gewissen Arvo Mej. Kirill überflog sie rasch.
»Ich werde sie mir später in Ruhe durchlesen«, sagte er. »Kannst du mir den Inhalt zusammenfassen?«
Fëdor rückte seinen Stuhl zurecht, als würde ihm diese Aufgabe das gröÃte Vergnügen bereiten: »Arvo Mej, genannt: der Doktor. Sechsundzwanzig Jahre alt, gebürtig aus Moskau. Besondere Kennzeichen: Computergenie. Seine Jugend verbrachte er zunächst als krimineller Hacker, dann als inhaftierter Hacker, danach als geständiger Hacker und schlieÃlich als angesehener Hacker, als Berater in der Sicherheitsabteilung des Telekommunikationsgiganten Svyazinvest. Zumindest bis 2004.«
»Was geschah 2004?«
»Warte, ich werde ein detaillierteres Bild entwerfen. Mit sechzehn baut Arvo, mit Spitznamen der Doktor, sein erstes Phishing-Netz auf. Konkret heiÃt das, er programmiert einen Virus, der aus der Ferne die Kontrolle über die infizierten Computer ermöglicht, der sich automatisch verbreitet und alle Antivirus-Programme umgeht. Innerhalb eines Jahres gelingt es ihm, weltweit in über zweihunderttausend Computer einzudringen ⦠und von den Bankkonten seiner Opfer eine Summe abzuzweigen, die sich insgesamt auf beinahe fünf Millionen Dollar beläuft.«
»Nicht schlecht für einen kleinen Jungen.«
»Das schon, aber er ist kein Experte für Finanzangelegenheiten. Er weià nicht, wie er gefahrlos an das Geld herankommen kann, und so geht er dem FBI ins Netz. Sie erwischen ihn auf frischer Tat in einer Bank in Auckland, der letzten Etappe einer endlosen Serie von Bankbewegungen von einem Land ins nächste. Arvo bekennt sich in zwanzig Fällen der Datenpiraterie schuldig. Dank seiner an den Tag gelegten Reue lässt der Richter des obersten neuseeländischen Gerichts mildernde Umstände gelten: Die Haft wird in eine sehr hohe Geldstrafe umgewandelt.«
»Und dann?«
»Dann kehrt er nach Russland zurück und vollzieht den Sprung in die Legalität. Offenbar sind alle daran interessiert, sich seine ⦠sagen wir ⦠Fähigkeiten zunutze zu machen. Am Ende entdeckt ihn wie gesagt unsere gröÃte Telekommunikationsgesellschaft für sich.«
»Nochmals zurück zu meiner Frage: Was geschah 2004?«
»Man weià es nicht genau. Alles läuft eine Weile lang glatt, dann zerbricht irgendetwas in ihm, und er verschwindet. Wortwörtlich. Eines Tages erscheint er nicht mehr bei der Arbeit, und niemand weià irgendetwas. Dank seiner Geschicklichkeit und mithilfe der Schlüsselposition, die er in der russischen Informatikwelt innehat, löscht Arvo alle Spuren seines vergangenen Lebens. Als habe er niemals existiert.«
»Sieht nicht so aus, wenn man diese Akte betrachtet«, bemerkte Kirill und wog die Seiten in der Hand.
»Es sind alles nicht digitalisierte Informationen aus der Zeit vor 2004.«
»Schön, aber wenn er verschwunden ist, woher willst du dann wissen, dass er es war?«
Fëdor stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und näherte sich so weit wie möglich dem Freund. »Weil er sich â laut eines absolut zuverlässigen Informanten â der Bande der weiÃen Handschuhe angeschlossen hat.«
»Wer, zum Teufel, soll das sein?«
»Zwei Profikiller, sehr gefragt und sehr teuer.«
»Warum heiÃen sie Bande der weiÃen Handschuhe ?«
»Sie hinterlassen niemals irgendwelche Spuren.« Mit diesen Worten zog Fëdor zwei weitere Aktenbündel aus der Mappe und reichte sie Kirill. Sie waren mit Äerubina Andreevna Äukovskaja und mit
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