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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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am 15. Oktober 1966 in einem kleinen ukrainischen Dorf am Schwarzen Meer als Sohn eines Fischers zur Welt und …«
    Â»Lass die überflüssigen Details weg.«
    Â»Sie sind wichtig, sogar sehr wichtig. Hör zu: Sein Großvater verschwand während der stalinistischen Säuberungen, sein Vater kam dagegen bei einer Schlägerei ums Leben. Er lebt mit seiner Mutter zusammen, einer Irren, die seine psychische Stabilität von Anfang an unterminiert. Sie erzählt ihm ständig von ihrem Bruder, der ihrer Meinung nach während des äußerst strengen Winters 1930 von den ausgehungerten Bauern bei lebendigem Leib verspeist wurde. ›Dein lieber Onkel Wanja‹ nennt sie ihn in diesen Geschichten.«
    Der Inspektor legte eine Pause ein.
    Â»Erzähl weiter«, sagte Kirill mit unbewegter Miene.
    Â»Im Alter von fünf Jahren bricht er einem Kameraden im Streit mit Hilfe seines Knies den Arm, als sei es ein Stück Holz. Doch erst mit vierzehn Jahren kommt er wirklich mit dem Gesetz in Konflikt.«
    Â»Was stellt er an?«
    Â»Er versucht, den Tiger eines Zirkus, der sein Zelt in unmittelbarer Nachbarschaft aufgeschlagen hat, aus dem Käfig zu befreien. Am Tag darauf geht er auf die Polizisten los, die ihn zu dem Fall befragen wollen. Das Ende vom Lied: zwei Jahre Haft, von denen er sechs Monate im Jugendgefängnis von Kiew verbüßt. Da er sich keiner Bande anschließt, erleidet er dort offenbar alle Formen der Gewalt.«
    Â»Ukrainische Erziehung …«
    Â»Genau. Als er entlassen wird, ist er ein junger Mann, sehr groß, stark und aufrecht wie eine Säule. Er ist übrigens der Einzige, von dem wir ein Foto neueren Datums haben.«
    Fëdor reichte Kirill eine Fotografie mit dem Gesicht eines glatzköpfigen Mannes mit sehr hellen blauen Augen.
    Â»Ab da wird er zum Killer?«
    Â»Nein, anfangs spezialisiert er sich auf Einbrüche, mit einer Vorliebe für allein stehende Häuser. Dabei entdeckt er, dass er Blut mag. Er treibt es ziemlich bunt, wie du aus der Akte ersehen wirst. Aber er ist immer vorsichtig: Er stiehlt, er verletzt, aber er tötet niemals. Den Höhepunkt seiner Karriere erreicht er 1988. Gemeinsam mit drei weiteren Geistesgestörten überfällt er eine Bank. Er malträtiert den Direktor mit einem Messer, um sich den Safe öffnen zu lassen. Sie verschwinden mit einem Haufen Rubel, aber ihre Flucht dauert nur zwei Wochen. Er bekommt sieben Jahre.«
    Â»Und als er rauskommt?«
    Â»Damals beschließt er, ein wenig Ruhe einkehren zu lassen. Er geht nach Tschetschenien und arbeitet bei einem privaten Sicherheitsdienst − dem sogenannten Ölregiment − zum Schutz der Pipelines der Grozneftegaz.«
    Â»Und dort lernt er Čerubina kennen.«
    Â»Genau. Sie stehen an entgegengesetzten Fronten. Aber sie haben zu viele Dinge gemeinsam. Sie verbünden sich und gehen nach Moskau. Dort fangen sie an, für den Meistbietenden zu arbeiten. Sie sind sehr gefragt .«
    Kirill nahm die drei Aktenbündel und erhob sich. »Gut! Und wo sind sie jetzt?«
    Â»Ich glaube, ich weiß es«, erwiderte der Inspektor und erhob sich seinerseits.
    Â»Habt ihr sie geortet?«
    Â»Nein. Aber nach dem zweifachen Coup konnten wir uns denken, dass sie versuchen würden, sich aus dem Staub zu machen. Wie du weißt, habe ich zwei Männer darauf angesetzt, alle Videoaufzeichnungen vom Moskauer Flughafen aus den Tagen nach dem Überfall zu sichten. Und wir hatten Glück: Eine der Kameras hat Vjačeslav am 29. Dezember beim Einchecken gefilmt.«
    Â»Wohin ist er geflogen?«
    Â»Nach London. Aber es war nur ein Zwischenstopp. Von dort hat er einen Flieger nach Dublin genommen.«
    Â»Dublin?«
    Â»Genau.«
    Â»Und die beiden anderen sind bei ihm?«
    Â»Normalerweise ist dort, wo sich Vjačeslav aufhält, auch Čerubina. Und oft auch Arvo.«
    Â»Was ist mit der Leskov?«
    Â»Ich habe dir bereits gesagt, dass ich dir darauf nicht antworten kann.«
    Kirill strich sich über den Bart am Kinn.
    Â»Sollen wir Interpol einschalten?«, schlug der Inspektor vor.
    Â»Ich glaube, ich mach das allein.«
    Â»Das habe ich mir schon gedacht.«

50
    London, Kerr Gallery
Sonntag, 2. Januar, 12.22 Uhr
    Die Kerr Gallery war voller Menschen, und der erste Ansturm auf das Buffet lag bereits eine halbe Stunde zurück. In der Mitte des Saals, in einer schicken Glasvitrine, waren die

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