Die Schwesternschaft
ist.« Sie sah Kirill an und fuhr fort: »Er wäre längst tot, wenn nicht zwei Faktoren eine Rolle gespielt hätten: Umsicht und Glück.«
»Worauf spielst du an?«
»Papa ist aus zwei Gründen noch am Leben«, erklärte sie. »Dank seiner eigenen Klinik in der Villa, und vor allem, weil er nicht alles getrunken hat. Wenn er das getan hätte, wären wir jetzt nicht hier.«
Ihre Augen glänzten feucht.
Kirill trat auf sie zu und ergriff ihre Hand: »Gavril ist stark«, versicherte er. »Es wird keine weitere Beerdigung geben, Nadja.«
Die junge Frau drückte seine Hand und konnte ihre Rührung nicht verbergen. Niemand durfte innerhalb so kurzer Zeit beide Elternteile verlieren, dachte Kirill. Gewiss, er selbst hatte genau das erlebt, aber in einem Alter, in dem einem Kind noch so gut wie nichts bewusst ist. Nadja hatte so etwas nicht verdient.
Er zog seine Hand zurück und setzte sich neben sie.
Sie verharrten einige Minuten lang in Schweigen. Dann fragte Nadja: »Irgendwelche Neuigkeiten von Lena?«
Kirill antwortete lediglich mit einem Kopfschütteln.
»Und über Mamas Tod?«
Auch diesmal schüttelte er bloà den Kopf.
Nadja wurde ärgerlich: »Solange Papa in diesem Zustand ist, hast du mir gegenüber ebenso aufrichtig zu sein, wie du es ihm gegenüber wärst.«
Der Sibirier warf ihr einen kühlen Blick zu, dann nickte er.
»Ich frage dich also noch einmal«, fuhr sie fort. »Gibt es Neuigkeiten?«
Kirill zögerte einen Moment, dann gestand er: »Ich habe einige Details an der Hand. Ich könnte versuchen, es dir zu erklären.«
Nadja nickte.
»Meine Ãberlegungen stützen sich auf drei Ereignisse«, begann der Sibirier, wobei er jedes einzelne Wort betonte. »Auf den Mord an Catherine, auf den Einbruch im Bunker und auf Gavrils Vergiftung durch Lena.«
»Weiter â¦Â«, drängte Nadja.
»Nun, was verbindet sie?«
»Ein Unrecht an einem feindlichen Mafioso?«, überlegte sie.
»Nein«, widersprach Kirill. »Der Bühnenprospekt.«
»Der Bühnenprospekt?«
»Genau.«
Kirill ging die Ereignisse zurück und erklärte, dass sowohl Catherine als auch Lena irgendwie von der Besichtigung der Bühnenprospekte in dem Bunker beeindruckt waren.
»Ich habe erst im Nachhinein darüber nachgedacht«, gab er zu. »Aber als Gavril beim Abendessen den Verkauf des Prospektes bestätigte, wollte Lena wissen, wie der Antiquitätenhändler davon erfahren hatte, dass er der Besitzer war.«
»Und Papa?«
»Er hat mit den Schultern gezuckt und nicht geantwortet. Aber die Frage war berechtigt, und je mehr Zeit vergeht, desto berechtigter erscheint sie mir.«
»Glaubst du, dass Lena hinter diesem Antiquitätenhändler steckt?«
»Das ergäbe keinen Sinn«, antwortete Kirill. »Wozu dann der Diebstahl? Es war bereits alles für den Transport bereit.«
»Dann lass uns diesen italienischen Antiquitätenhändler suchen«, schlug Nadja vor.
»Unmöglich. Es ist eine falsche Spur. Er existiert nicht. Und wenn er existiert, so ist er verschwunden. Wir haben nichts von ihm, weder Name noch Adresse noch Telefonnummer. Absolut nichts.«
»Wenn es einen Transport gab, muss es auch einen Empfänger geben.«
»Nein. Die Lieferadresse war eine Lagerhalle in der Nähe von Neapel. Mehr lässt sich nicht in Erfahrung bringen.«
»Seltsam â¦Â«, murmelte Nadja. »Der Käufer hat sich nicht beschwert, obwohl einer der Bühnenprospekte nie angekommen ist?«
»Die Sache ist zugleich einfach und kompliziert«, erklärte Kirill. »Auf Anweisung deines Vaters haben wir den Diebstahl nicht zur Anzeige gebracht. Gavril bestand darauf, alles weiterlaufen zu lassen, als sei nichts geschehen. Die Lieferung erfolgte ganz normal, und der Betrag für den verschwundenen Prospekt wurde zurückgebucht.«
»Und auf Empfängerseite?«
»Auf Empfängerseite hat keiner etwas beanstandet. Es war ein illegales Geschäft. Aber in Wahrheit lag es wahrscheinlich daran, dass die halbe Welt wusste, dass Gavril nach dem Tod von Catherine anderes im Kopf hatte.«
»Wirklich seltsam â¦Â«, wiederholte Nadja.
»In dieser Geschichte ist vieles seltsam. Aber ich habe einen weiteren Beweis dafür, dass der Bühnenprospekt im Mittelpunkt der ganzen Angelegenheit steht.«
»Und
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