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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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konnte sie sich erinnern. Jetzt musste sie eine Lösung finden. Sie vertiefte sich ganz in die Lektüre.
    Lambay Island ist heute ein gefragtes Ziel bei Anglern und Sportbootfahrern aus Rush, die gerne in einer der zahlreichen geschützten Buchten ankern. Darüber hinaus ist die Insel wegen des tiefen Wassers und der zahlreichen Schiffswracks, die sich dort finden, auch bei Tauchern äußerst beliebt.
    Gut, es gab also drei Möglichkeiten: Angler, Taucher oder Sportbootfahrer. Jetzt galt es, sich zu entscheiden, welche Tarnung die beste war.
    Sie nahm den Hörer ab und wählte eine hotelinterne Nummer. »Komm sofort zu mir, Čerubina«, befahl sie.

36
    London, zu Hause bei Victoria Price
Donnerstag, 30. Dezember, 8.22 Uhr
    Victoria schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, glaubte sie in einem Wald zu stehen, aus dem es kein Entkommen gab. In der Ferne erkannte sie eine Gestalt, die zwischen den Bäumen auf sie wartete. Sie versuchte, zu ihr zu gelangen, aber jedes Mal wenn sie sich näherte, verschwand die Gestalt, um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen. Eine beängstigende Situation …
    Beim Aufstehen bemerkte sie sofort, dass das prosodische Übungsheft nicht mehr da war. Dabei war sie sicher, es auf den Nachttisch gelegt zu haben. Sie erschauderte und suchte das gesamte Zimmer mit den Augen ab, vergeblich. Sie bückte sich, um unter das Bett zu sehen, aber sie fand nur eine einzelne Socke, die sie eine Woche zuvor verzweifelt gesucht hatte.
    Sie hob das Kissen an und schob die Daunendecke beiseite, aber nirgends eine Spur von dem Heft. Ihr Herz begann zu rasen. Irgendjemand musste es genommen haben. Wie sollte sie das Raye und später Madame Iv erklären?
    Aufgeregt eilte sie in die Küche, wo ihre Mutter sicherlich schon dabei war, das Frühstück vorzubereiten.
    Sie fand sie am Tisch sitzend, in das prosodische Übungsheft vertieft. Ein Detail an ihr überraschte sie: Das zum Zopf gebundene rote Haar der Mutter, auf das sie so stolz war, wurde von einem schmalen Silberreif zusammengehalten. Vermutlich eines der extravaganten Geschenke der Onkel, aber Victoria hatte es bisher noch nie gesehen.
    Â»Mama …«
    Die Mutter schien sie nicht zu hören. Sie hielt sich das prosodische Übungsheft mit der rechten Hand vor das Gesicht. Als Victoria näher trat, bemerkte sie einen Schnitt an ihrem Handgelenk und einen Streifen Blut, der ihren Ärmel befleckte.
    Â»Was … was geht hier vor sich?«
    Ihre Mutter war vollkommen in ihre Lektüre vertieft und rührte sich nicht.
    Victoria trat neben sie, aber dann hielt sie inne. Sie wollte sie berühren, schaffte es aber nicht, die Hand zu heben, sie war wie gelähmt.
    Dann drehte sich die Mutter zu ihr um, und Victoria sah in ein anderes als das ihr vertraute Gesicht. Es war Madame Iv, die eine grauenhafte Grimasse schnitt.
    Victoria sah, wie Ivs Haar mit einem Mal begann, ein Eigenleben zu führen. Der Silberreif fiel zu Boden, und einige Strähnen richteten sich auf. Die Enden nahmen die Gestalt von Schlangen an und begannen zu zischen, dann öffnete die Frau den Mund, und ein schwarzer Schlund wurde sichtbar. Eine so vollkommene Schwärze, dass sich Victoria unwiderstehlich angezogen fühlte.
    Plötzlich schleuderte Iv das Heft auf den Boden und ergriff ein Küchenmesser. Sie setzte die Klinge an ihre Kehle und begann zu drücken.
    Ein kleines Rinnsal Blut strömte aus dem Hals.
    Â»Was tun Sie da? Hören Sie auf damit«, schrie Victoria.
    Das Haar war nunmehr ein Gewirr aus zischenden, rötlich schimmernden Schlangen, die sich ihrem Gesicht entgegenstreckten.
    Â»Möchtest du mir den Kopf abschlagen, Victoria?«, fragte die Frau mit schriller Stimme.
    Es war eine schauderhafte Szene, aber sie konnte den Blick nicht abwenden.
    Â»Möchtest du den Kopf der Medusa, meine Liebe?«
    Mit einem einzigen waagerechten Schnitt war die Kehle der Frau durchtrennt. Der Kopf kippte nach hinten und löste sich vom Hals, aber der Körper blieb aufrecht. Die Dunkelheit, die Victoria in dem Mund gesehen hatte, dehnte sich aus wie ein Strahl, durchdrang das gesamte Zimmer, heftete sich an Victorias Gesicht und drohte, sie zu ersticken.
    Â»Madame, Madame!«
    Victoria fuhr schweißgebadet im Bett auf. Ein Schneeball war an ihr Fenster geflogen und hatte seine Spuren auf dem Glas hinterlassen.
    Sie atmete tief durch. Es war nur

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