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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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fünf weiteren Arbeiten aus anderen kleineren Leningrader Theatern, an einen Privatsammler abgetreten, einen gewissen Vladimir Jewtuschenkow, Ex-Kapitän bei der sowjetischen Marine, der sein Glück laut zuverlässiger Quelle mit der Demontage und Inaktivierung ehemaliger Atom-U-Boote der Roten Armee gemacht haben soll. Schließlich wechselte die gesamte Sammlung Jewtuschenkow vor einigen Monaten den Besitzer und gelangte ohne Kaufvertrag in die Hände von Mr Derzhavin.
    Das ist alles.
    Kirill hatte Nadja erklärt, dass ihr Vater und Surab Zereteli gute Bekannte seien, ohne jedoch näher auf die Art ihrer Bekanntschaft einzugehen. Aber er versicherte ihr, dass es dank dieser Beziehung nicht schwer sein würde, ein Treffen mit dem Direktor Benjamin Schorowsky zu veranlassen. Die Frage war nur, wen man zu dem Treffen schicken wollte und mit welcher offiziellen Begründung. Sie hatten lange darüber diskutiert und waren schließlich übereingekommen, dass die beste Wahl Nadja selbst war. Der Name Derzhavin würde den Schlüssel liefern, um Zugang zu allen gewünschten Informationen zu erhalten.
    Kirill war von Anfang an kategorisch gewesen: »Du wirst nicht allein fahren. Aber solange wir den Falschspieler nicht gefunden haben, muss einer von uns bei deinem Vater bleiben. Deshalb wird Taras dich begleiten. Wir müssen uns nur eine Geschichte ausdenken, die wir Schorowsky auftischen können.«
    Nadja hatte bereits eine Idee: »Ich werde ihm so wenig wie möglich erzählen, nur dass mein Vater mich beauftragt hat, Informationsmaterial über einige Bilder zu sammeln, die sich in seinem Besitz befinden. Wertvolle Werke, die er niemand anderem überlassen will. Wie man weiß, besitzt mein Vater die weltweit größte Privatsammlung an Bühnenprospekten. Er hat beschlossen, sie dauerhaft im neuen Sitz der Stiftung Derzhavin auszustellen und die Ausstellung dem Andenken meiner Mutter zu widmen. Die historischen und bibliografischen Angaben benötige ich als Herausgeberin des Ausstellungskataloges, eine Rolle, die mir mein Vater natürlich vor seinem Unfall anvertraut hat. Einfach, sauber und plausibel.«
    Â»Mit dem einzigen Haken, dass nichts davon wahr ist«, hatte Kirill hinzugefügt. Dann hatte er Taras rufen lassen.
    Nun lief der Ukrainer neben ihr. Eingezwängt in einen grauen Mantel und mit dunkler Krawatte wirkte er wie ein Boxer auf dem Weg zu einem Benefiz-Essen. Jedenfalls hatte Kirill recht gehabt, er war der richtige Mann für sie. Oder besser gesagt der zuverlässigste. Denn wirklich richtig wäre nur Kirill gewesen.
    Ein Möwenpärchen lenkte sie von ihren Gedanken ab. Ihre Schreie, die in all dem Eis fehl am Platze wirkten, erhoben sich vom Deck eines Lastkahns, der unterhalb der Brüstung vertäut war. Nadja lächelte bei dem Gedanken, dass sich der Kahn, so eingezwängt in eine dicke Eisschicht, auch ohne Vertäuung keinen Millimeter bewegt hätte.
    Inzwischen hatten sie ihr Ziel erreicht. Mit flinken Schritten liefen sie die Freitreppe hinauf und betraten die Stufen im Gebäudeinneren, die zur Kasse führten.
    Nadja stellte sich vor einen der Schalter. »Professor Schorowsky?«, fragte sie höflich und zeigte eine Visitenkarte, auf der über ihrem Namen das Logo der Vermögensholding von Gavril Derzhavin prangte. Auch diesbezüglich war Svetlana äußerst tüchtig gewesen.
    Â»Der Direktor erwartet Sie in seinem Büro«, erwiderte eine Frauenstimme hinter ihr. Nadja zuckte zusammen. Eine sehr junge, sehr elegante Hostess verneigte sich leicht und nahm ihr die Visitenkarte ab. »Folgen Sie mir bitte, Frau Doktor Gavrilovna Derzhavin«, bat sie. Taras machte Anstalten, sie zu begleiten, aber Nadja hielt ihn davon ab.
    Â»Warte hier auf mich.«
    Â»Geht klar.«
    Die Hostess führte Nadja zum Büro des Direktors und verschwand dann. Der Mann, der sie empfing, war ein blasser Endvierziger von eher kleiner Statur, mit Kordhosen, dazu passender Jacke und einer goldenen Uhr, die er über die Manschette seines hellblauen Hemdes gebunden hatte. Er trug eine dicke Brille mit einem auffälligen roten Gestell und hatte aschblondes Haar, das ihm widerspenstig in die Stirn fiel. Er reichte ihr eine Hand, die so feucht und schlaff war wie ein Würstchen.
    Â»Freut mich, Sie kennenzulernen, Frau Doktor Gavrilovna Derzhavin«, empfing er sie affektiert. »Es ist mir eine Ehre. Ich bin

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