Die Schwingen des Todes
unglaublich. »Warum hörst du nicht auf?«, fragte er.
»Sie werden denken, ich bin total pervers.«
»Nein, ich bin einiges gewöhnt.«
Sie antwortete nicht.
»Na, los, versuch's.«
Sie seufzte. »Ich liebe meinen Mann, wirklich. Aber er ist sechsundfünfzig, Lieutenant. Und er ist nicht gesund, er hatte ein schweres Leben. Seine erste Frau litt an Brustkrebs und ist nach zehn Jahren gestorben. Er hat chronische Herzprobleme und hohen Blutdruck. Wir unternehmen nicht viel. ein bisschen natürlich schon. Wir haben einen Sohn. Aber es ist nicht... Sie wissen schon. Und nach dem, was ich durchgemacht habe. macht es mir nichts aus. Nur manchmal gibt es Zeiten.« Eine Pause. »Mr. Donatti. kommt ab und zu her und sieht nach dem Rechten. Er... er ist gut aussehend. Ich bin noch j ung.«
Ihre Augen baten um Verständnis. Decker lächelte. »Ich hab's kapiert.«
Ihre Stimme wurde leise. »Ich fühle mich bei ihm geborgen. Beschützt. Ich weiß, dass er mich benutzt hat, das machen solche Typen halt, aber er war ganz in Ordnung.« Schweigen. »Einer Fünfzehnjährigen, die abgehauen ist, bleiben nicht viele Möglichkeiten. Man hat mir ein paar echte Horrorgeschichten erzählt, und wenn man's richtig bedenkt, hab ich noch Glück gehabt.«
Sie schwiegen.
»Wir sind gar nicht so verschieden, Mr. Donatti und ich. Ich benutze auch andere Menschen.«
Sie meinte wohl ihren Mann. Decker sagte: »Ich weiß, was es heißt. jemandem etwas zu schulden. Ich hab auch ein paar Kumpel. Einer davon. war mit mir in Vietnam. Hat mir das Leben gerettet. Egal, wie tief er in der Scheiße steckt, ich fühle mich ihm gegenüber immer noch verpflichtet.«
»Sie können gut zuhören, wissen Sie das?«, sie streckte die Beine aus und legte den Kopf an seine Schulter. »Und ich kann wirklich nichts für Sie tun?«
»Du kannst viel für mich tun, und damit meine ich keinen Sex.«
Sie setzte sich auf. »Sie wollen also nur Informationen.« »Ja.«
»Ihre Frau muss toll sein.« »Stimmt. Erzähl mir von Merrin.«
»Ein geiler alter Bock. Er lässt den Laden in Ruhe laufen.« »Bezahlt ihn Donatti?«
Ihr Achselzucken sagte ihm, dass er auf dem richtigen Weg war.
»Lässt Merrin andere Sachen auch in Ruhe laufen?« »Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, wenn ich Ecstasy wollte. Würde ich da zu Merrin gehen?«
»Keine Ahnung.« Sie blickte ihm ins Gesicht. »Das ist die Wahrheit. Ich kenne Merrin nur als Kunden.«
»Und zu wem würde ich gehen?«
»Keine Ahnung; ich nehme keine Drogen.«
»Was ist mit den anderen Mädchen? Hier sind doch ein paar, die auch im Tattlers arbeiten.« Er klopfte auf den Busch. »Ich hab gehört, da drüben kriegt man alles mögliche Zeug.«
»Plunkett, stimmt's?«
»Genau«, log Decker.
»Typisch. Ein echter Penner, aber er kennt sich aus.« »Also würden die Mädchen, die im Tattlers arbeiten, vielleicht darüber Bescheid wissen?«
»Da müssen Sie sie selber fragen. Hier haben wir jedenfalls nichts, so weit ich weiß.«
»Ist ein Mädchen aus dem Tattlers da, mit dem ich reden kann?«
»Angela vielleicht. Sie ist in einer halben Stunde frei.«
»Kannst du das drehen, ohne ihn vorher anzurufen?« Ein Lächeln. »Bitte, Jen.«
Sie zuckte mit den Achseln.
Decker drängte sie nicht. »Du kennst also die Leute aus dieser Gegend ganz gut.« Jen lachte bitter. »Ich kenne nur die, die geil sind.« »Was ist mit den Jungs?« »Es gibt viele geile Jungs.«
»Ryan Anderson und Philip Caldwell.« Ihr Gesicht v erdüsterte sich. »Ich kenne Caldwell. Er war vor zwei Monaten hier, als er gerade achtzehn ge worden ist. Rich hat ihn rausgeworfen.«
»Wer ist Rich?«
»Der Rausschmeißer.«
»Der unten hinter der Holzvertäfelung sitzt.«
Sie sah ihn verblüfft an. »Ihnen entgeht auch nichts - ach so, ich war ja drin, um Mr. Donatti anzurufen.«
»Ja, aber ich hab's vorher gemerkt. Du hast dauernd über die Schulter geguckt. Also Rich hat Caldwell rausgeworfen. Wieso?«
»Er hat das Mädchen verprügelt. Es war übrigens Angela. Rich war oben, bevor der kleine Scheißer sie ernsthaft verletzen konnte. In allen Zimmern sind Videokameras.«
Decker lachte. »Ach, wirklich?«
Sie zeigte auf den Kronleuchter.
»Rich hat sicher Spaß an seiner Arbeit.«
»Er ist schwul und macht nur seinen Job.« Sie blickte zu Boden. »Alles wird aufgezeichnet. Irgendwann wird Mr. Donatti sich das Video ansehen und an die Decke gehen.«
»Hör zu, Jen. Er wollte, dass du irgendwie Informationen aus mir rausholst,
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