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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Gänge gekommen -was so schlecht auch nicht ist. Also hab ich ein paar der Telefonnummern auf der Mappe, dieser Emek-Refa'im-Broschüre, angerufen. Es ging aber niemand ans Telefon. Und dann dämmerte es mir endlich.« Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Es ist Schabbes. Da geht keiner ans Telefon. Also hab ich es mit dem guten alten Telefonbuch probiert. und die Namen rausgesucht.«
    »Das hört sich nach einer Menge Arbeit und viel Lauferei an.«
    »Stimmt. Aber was soll's: Die Knicks spielen am Sonntag wieder - dann seh ich mir eben morgen das Spiel an. Also, diese ganze Geschichte war ziemlich verwirrend: Die Ortsgruppen treffen sich in der City, aber kein einziger der Namen ist in der City aufgeführt. Und dann ging mir schlagartig ein Licht auf: Das sind Chassidim, die wahrscheinlich genau wie Ephraim in Brooklyn wohnen, sich aber in der City treffen, weil sie nicht wollen, dass irgendjemand aus ihrem Viertel erfährt, dass sie ein Problem haben. Anonymität, verstehen Sie? Also hab ich im Brooklyn-Verzeichnis nachgeschlagen, und siehe da: Treffer! Da niemand ans Telefon ging, bin ich einfach hingefahren.«
    Decker nickte. »Und was passierte dann, als Sie so einfach vor der Tür standen?«
    »Man war nicht gerade erfreut, aber ich war diskret. Ich hab etwa drei, vier Männer abgeklappert. und eine Frau. Als dieser Typ namens Ari mir sagte, dass er Ephraim kenne, hat es mich fast umgehauen.«
    »Wusste er, dass Ephraim ermordet worden ist?«
    »Ja. Er war ziemlich aufgewühlt deswegen. Ich könnte nicht sagen, wer mehr Fragen gestellt hat, er oder ich. Na, wie auch immer, jedenfalls konnte er nicht offen reden - schließlich darf seine nette, kleine Frau nicht wissen, was Sache ist -, und deshalb hat er mich gefragt, ob wir uns nicht hier in einem koscheren Restaurant treffen könnten.«
    »Hat er keine Angst, erkannt zu werden?«
    »Er sagt, das sei kein Problem. Niemand würde ihn erkennen, weil er in Zivil käme. Ich nehm mal an, dass er damit eine andere Kleidung als die chassidische Tracht meint.«
    »In Zivil?«, fragte Decker. »Hat er das so gesagt?«
    »Hat er. Diese ganze Geschichte mit HaSchems Heer, dem Heer Gottes. ich schätze, diese Jungs nehmen die Sache echt wörtlich.«
    Marvad Haksamim, der Name des Lokals, bedeutete auf Hebräisch »Fliegender Teppich«. Das ganze Restaurant war übersät mit Teppichen: Teppichen an den Wänden, auf dem Boden und ein riesiger Teppich unter der Decke, der das Lokal wie ein Zelt erscheinen ließ. Vor den Fenstern leuchteten bunte Lichterketten, und um die Tür herum hingen mehrere gerahmte Bilder von Jerusalem. Nichtsdestotrotz schmückten Stoffservietten und Tischtücher die mit Kerzen und frischen Blumen dekorierten Tische. Auch die Weinkarte konnte sich sehen lassen. Decker gönnte sich ein Glas Cabernet. Novack bestellte ein Bier.
    Ari Schnitman, dessen Zivilkleidung aus einem schwarzen Polohemd, Jeans und Turnschuhen bestand, spielte mit einem Glas Mineralwasser. Statt der üblichen jarmulke oder dem schwarzen Hut ruhte eine gewirkte kippah auf seinem Kopf Aber da seine Haare sehr kurz waren, ließ sich die Kappe nicht mit Haarklemmen befestigen und drohte ständig bergab zu rutschen. Schnitman war Anfang dreißig, hatte einen sorgfältig g estutzten Bart, eine aschfahle Gesichtsfarbe und hellgrüne Augen hinter einer Nickelbrille. Sein Gesicht war schmal, genau wie seine Hände. Decker hatte ihn begrüßt, während er bereits saß. Ihm war klar, dass er Schnitman turmhoch überragen würde, sobald sie aufstehen und sich verabschieden würden.
    In der Mitte des Tischs stand eine Vorspeisenplatte mit pikanten Mohren, Kartoffeln mit Zwiebeln und Essig, Oliven, Essiggemüse, Kichererbsenmus, Auberginensalat und Merguez, einer scharfen, vor Öl triefenden Wurst.
    Niemand rührte die Platte an.
    Schnitman war nervös. Seine Stimme ging kaum über ein Flüstern hinaus. Decker musste sich anstrengen, um ihn vor dem Hintergrund der Geräuschkulisse im Lokal überhaupt verstehen zu können. »Es ist nicht so, dass ich glaube, diese Tragödie hätte was mit Emek Refa'im zu tun. Ich weiß, dass das nicht der Fall ist. Aber diese Geschichte - abgesehen davon, dass sie furchtbar ist. ich mochte Ephraim, wirklich -. also diese Geschichte ist verheerend für die Moral.«
    »Verheerend? Inwiefern?«, fragte Novack.
    »Na ja. der Gedanke, dass er vielleicht rückfällig geworden ist. Ephraim hatte gerade erst sein Jubiläum gefeiert. er war seit zwei Jahren

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