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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Berichtsbogen quollen aus Aktenschränken und Plastikcontainern. An den Wänden hingen Stadtpläne, gespickt mit Stecknadeln in unterschiedlichen Farben, je nach Klassifizierung der Verbrechen. Selbst zwischen den pfauenblauen Türen der beiden Verhörzimmer hing ein schwarzes Brett, das übersät war mit Polizeiskizzen gesuchter Straftäter.
    Deckers Blick blieb an einem gedruckten Poster hängen. Es zeigte die amerikanische Flagge, und darunter stand: DIESE
    FARBEN WERDEN NICHT WEICHEN. Unter diesem Bild h ing ein weiteres Anschlagbrett, das nur Schnappschüsse vom 11. September zeigte - blutende, mit Asche bedeckte Polizisten.
    Novack folgte seinem Blick. »Und dabei hab ich immer gedacht, ich hätte in unserem Job schon alles gesehen.«
    Decker lachte trocken. »Tatsächlich?«
    »Tja, so kann man sich irren.« Novack deutete auf den einzigen anderen Anwesenden im Raum. »Das da drüben an meinem Tisch ist Brian Cork von der Sitte. Hey, Brian, sag Lieutenant Decker guten Tag.«
    Cork schaute auf. »Tag.«
    »Tag.«
    Sie setzten sich an Novacks Tisch. Cork war ein Mittvierziger, etwa einsfünfundsiebzig groß, mit breitem Brustkorb und einem anschwellenden Bierbauch. Seine Schultern und Arme waren muskelbepackt. Falls das Revier ein Footballteam hatte, waren Novack und er die perfekten Außenverteidiger. Cork hatte ein rundliches, gerötetes Mopsgesicht, dünne, fast blutleere Lippen und eine breite, gebrochene Nase, die in sein Gesicht gequetscht war wie ein Melonenkürbis. Er studierte gerade die am Tatort von Ephraims Leiche gemachten Fotos.
    »Und Sie sind also Lieutenant in L.A.?«, fragte er. »Ja.«
    »Und warum geben Sie sich dann hier bei uns mit diesem Kram ab?«
    »Man hat mich an die Ostküste geholt, damit ich den Mittelsmann für die Polizei spiele. Das Opfer war der Schwager meines Bruders, und ich habe ihm versprochen, mich um die Sache zu kümmern. Ich wollte Detective Novack gerade sagen, dass ich mittlerweile glaube, in dieser Angelegenheit niemandem mehr nützen zu können. Selbst die eigene Familie sieht mich inzwischen lieber gehen als kommen. Keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass ich erst seit zwei Tagen hier bin.«
    »Familie.« Cork verzog das Gesicht. »Ich hab sechs Brüder und Schwestern. Drei davon sind Cops, also können Sie sich vorstellen, wie lange es dauert, bis wir uns auf die Nerven gehen. Wir treffen uns jedes Jahr zu Weihnachten, und jedes Jahr ist es das Gleiche. Am Anfang sind noch alle bester Laune, aber gegen Ende des Abends fliegen die Fetzen. Ich laufe mir lieber jeden Tag draußen auf der Straße die Hacken ab, als ihn mit meinen stocksauren Geschwistern verbringen zu müssen.«
    »Aber was kann man dagegen tun?«, fragte Decker. »Nichts«, seufzte Cork. »Also, Sie verabschieden sich?« »Da ich hier niemandem wirklich eine Hilfe bin, scheint es das Vernünftigste zu sein.«
    »Ich weiß zwar nicht, ob es was nützt, aber ich kann ja mal meinen Senf dazugeben. Das ist aber nur eine Vermutung.« Cork starrte wieder die Bilder an. »Wisst ihr, wie das Ganze für mich aussieht?«
    »Wie?«, fragte Novack. »Wie ein Familienjob.«
    »Ich glaube nicht, dass es die Mafia war, Brian.«
    »Ich hab ja gar nicht gesagt, dass es die Mafia war, Mick, ich hab nur gesagt, dass es wie ein Familienjob aussieht. Nicht wie die heutige Familie, sondern wie die vor vier, fünf Jahren, als C. D. noch im Geschäft war und hinter dem alten Mann stand. Aber er kann es nicht gewesen sein. Zum einen gibt sich C. D. nur mit großen Fischen ab, und dieser Typ ist offensichtlich ein sehr kleiner. Zweitens würde C.D. niemals jemanden in einem Hotel aus dem Weg räumen. Viel zu viele Leute, C. D. zieht nicht gern die Aufmerksamkeit auf sich. Und drittens - das mag vielleicht nur ein Gerücht sein - habe ich vor kurzem gehört, dass C. D. nicht mehr im Geschäft ist. Ich sage nur, dass es wie einer seiner Jobs aussieht. Ein einziger Schuss. Kaum Blut. Kein überflüssiger Mist. Schnell und sauber.«
    »C.D.?«, fragte Decker.
    »Christopher Donatti«, antwortete Novack.
    Decker brauchte einen Moment, um die Worte zu verarbeiten. Dann wurde sein Gehirn von einer Bilderflut überschwemmt. Die wenigsten von Deckers Mordfällen riefen gleich Erinnerungen wach, doch Chris Donatti gehörte dazu. Acht Jahre waren vergangen seit Deckers letztem Kontakt mit dem jungen Donatti, und dennoch hatte er die Einzelheiten noch so klar vor Augen, als wäre das Ganze vor wenigen Tagen passiert. Es ging um

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