Die Schwingen des Todes
ein Junge und blätterte in einem Magazin. Er wirkte klein und schmächtig, aber vielleicht sah er nur deshalb so aus, weil er ein übergroßes Hawaiihemd trug. Zwar konnte Decker nichts erkennen, was auf eine Pistole hingedeutet hätte, aber er war sich sicher, dass der Junge eine Waffe trug. Sein Blick begegnete dem Deckers.
»Kann ich Ihnen helfen, Officer?«, fragte das Mädchen.
Sie war sehr geschäftsmäßig gekleidet - ein schwarzer Anzug, das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Kein Makeup. Ihre Hände waren so glatt wie die eines Babys, mit kurz geschnittenen Nägeln und ohne Nagellack.
»Ich würde gern mit Mr. Donatti sprechen.«
»Haben Sie einen Termin?«
Ihre Augen hielten seinem Blick stand.
»Nein, aber es ist sehr wichtig.« Er zeigte ihr sein goldenes Abzeichen und seinen Ausweis.
Der Junge legte das Magazin zur Seite und starrte Decker finster an, was Decker mit einem Lächeln quittierte. Dann wechselten der Junge und das Mädchen einen schnellen Blick, und er nickte.
»Einen Augenblick, bitte, Sir.« Sie nahm einen Telefonhörer in die Hand und tippte mehrere Nummern ein.
»Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Donatti, aber hier ist jemand von der Polizei.«
Dann schwieg sie. Decker konnte nicht hören, was Donatti antwortete.
Schließlich fragte das Mädchen: »Könnte ich Ihren Ausweis und Ihre Marke noch einmal sehen?«
»Natürlich.«
»Es ist ein Lieutenant Peter Deck...« »Verdammte Scheiße!«
Das hatte Decker hören können. Er unterdrückte ein Lächeln. Mit einem leicht verwunderten Ausdruck in den Augen legte das Mädchen den Hörer auf. »Er ist mitten in den Aufnahmen. Sie müssen ja wirklich wichtig sein.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Er wird in ein paar Minuten hier sein.«
»Vielen Dank«, entgegnete Decker und lächelte, bis ihm klar wurde, dass es keinen Stuhl gab, auf den er sich hätte setzen können. Der Raum bot kaum Stellfläche für zusätzliche Möbel -ein unscheinbares Zimmer mit kahlen, cremefarbenen Wänden, das gerade genug Platz bot für die Rezeptionistin und den Wachmann. Anscheinend bekam Chris nicht allzu oft Besuch.
Bei Donatti waren ein paar Minuten auch tatsächlich ein paar Minuten. Die Tür zum Nebenraum öffnete sich, und da stand er. Im Alter von sechsundzwanzig Jahren war Christopher Whitman Donatti nicht mehr der hoch aufgeschossene, schlaksige Teenagerschwarm früherer Tage, sondern ein erwachsener Mann mit einer breiten Brust, kräftigen Schultern und gut entwickelten Oberarmen. Die Hasselblad-Kamera in seiner linken Hand wirkte wie ein Spielzeug. Er war glatt rasiert und trug seine dichten blonden Locken so kurz geschnitten, dass sie fast wie ein Bürstenschnitt aussahen. Sein hageres, längliches Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der kräftigen Stirn hatte eine rötliche Farbe und wirkte trotz einiger Narben frisch und gesund. Er hatte eine ausgeprägte Kinnpartie. Volle Lippen verbargen gerade weiße Zähne. Vor allem seine großen blauen Augen fielen auf - sie hatten die Farbe von Eis, ohne jedoch Licht oder irgendeine Gefühlsregung zu reflektieren. Was war das Gegenteil von strahlend?
Mit seinen knapp zwei Metern hatte Decker Chris bisher immer gerade in die Augen sehen können. Jetzt bemerkte er zum ersten Mal, dass er ein wenig nach oben schauen musste.
»Du bist gewachsen.«
»Ich war schon immer ein Spätzünder.« Donatti trug legere Kleidung - ein schwarzes T-Shirt über khakifarbenen Cargohosen mit ausgebeulten Taschen, wahrscheinlich gefüllt mit jeder Menge Fotomaterialien und, ganz ohne Zweifel, einer Pistole. Seine Füße steckten in Laufschuhen aus schwarzem Wildleder. Noch immer versperrte er die Tür und starrte Decker an. »Ich muss Sie abklopfen.«
»Ich bin schon durch den Metalldetektor gegangen.«
»Ich muss Sie abklopfen«, wiederholte Donatti.
Der junge Wachmann sprang auf, die rechte Hand an der Hüfte. Auch wenn sein Gesicht das eines Kindes war, ließ sein Blick keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. »Kann ich Ihnen helfen, Mr. Donatti?«
»Danke, Justin, aber das mache ich.« Donatti gab dem Mädchen seine Kamera und wandte sich dann Decker zu. »Welche Position?«
Ohne ein weiteres Wort drehte Decker sich zur Wand und stützte sich auf seine Hände. Es war nur logisch für Donatti anzunehmen, dass Decker eine Waffe oder ein Mikrofon am Körper trug - etwas, um sich selbst zu schützen. Also folgte Decker besser all seinen Anweisungen. Donatti ging bei der Durchsuchung
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