Die Schwingen des Todes
behalten.«
»Möglicherweise haben Sie Recht«, lächelte Decker. »Vielen Dank für Ihre Zeit.«
»Gern geschehen.«
Decker schloss die Tür hinter sich und überlegte, dass nur sehr wenige Menschen den genauen Ablauf seines Schabbes kannten und nur zwei von ihnen einen Grund gehabt hätten, Hershfield zu informieren. Es war unwahrscheinlich, dass Jonathan seine Ermittlungen behindern wollte, also blieb nur Raisie. Die Frage war nur: Hatte sie Hershfield aus eigenem Antrieb angerufen oder im Auftrag ihres Bruders gehandelt?
Doch die wichtigere Frage lautete: Was machte es für einen Unterschied?
Er hätte gar nicht erst herkommen dürfen. Eigentlich sollte er dort sein, wo man ihn schon längst erwartete, in Gainesville, und etwas wirklich Sinnvolles tun, wie zum Beispiel seinem alten Herrn beim Neubau des Werkzeugschuppens zu helfen oder seiner Mutter die Wasserle itungen zu reparieren. Stattdessen tat er anderen Menschen Gefallen, die niemand wirklich wollte oder zu schätzen wusste.
Jetzt reichte es.
Zur Hölle mit Quinton.
Zur Hölle mit ihnen allen.
13
Sein Magen knurrte, passend zu seiner Stimmungslage, aber Decker konnte niemandem Vorwürfe machen außer sich selbst. Hershfield hatte sich zwar nicht gerade mitteilsam gezeigt, aber letzten Endes tat er nur, wofür man ihn bezahlte. Und es war Deckers Idee gewesen, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Er hatte sich in seiner eigenen Falle gefangen.
Vor dem Gebäude wählte er die Nummer von Rinas Eltern, um mit ihr zu sprechen, aber sie war beim Einkaufen. Vielleicht war es besser so: Er hatte viel zu schlechte Laune, um ein angenehmer Begleiter zu sein. Trotzdem vermisste er sie. Er lief ziellos durch die Straßen und suchte nach einem einfachen Lokal, um etwas gegen seinen Hunger zu tun. Aber das war leichter gesagt als getan. Viele Restaurants in dem Viertel hatten Sonntagmittag geschlossen, und die, die geöffnet waren, sahen zu fein aus für seine Gemütslage. Schließlich entschied er sich für ein kleines Cafe auf der Third Avenue, das zwischen ein Blumengeschäft und einen koreanischen Gemüseladen gequetscht war. Der Salat war mittelmäßig - mit viel zu viel Knoblauchdressing. Decker aß ein paar Gabeln voll und ließ ihn dann stehen. Ein paar Häuser weiter fand er eine Konditorei, die viel versprechend aussah. Er bestellte ein Apfelcroissant und einen doppelten Espresso.
Decker versuchte immer noch, aus dem Ganzen schlau zu werden. Er war wütend, aber wie Hershfield gesagt hatte -vielleicht war der wahre Zweck dieser Reise wirklich ein anderer. Heute Abend würde die engere Familie in einem Steakhaus essen, das die Jungs als großartig empfohlen hatten. Dann würden er und Rina irgendwo bei ein bisschen Livemusik ein paar Drinks nehmen und sich zur Abwechslung mal wie ein richtiges Ehepaar amüsieren. Er nahm den letzten Schluck Kaffee und warf den Becher dann in einen Mülleimer.
Die Uhr zeigte kurz nach zwei. Decker war inzwischen so weit, dass er die Stunden bis zur Abreise zählte. Er blieb an der Ecke 53. und Second Avenue stehen und hob die Hand, um ein Taxi heranzuwinken, das ihn nach Brooklyn fuhr. Schließlich hielt ein Wagen. Als Decker die hintere Tür öffnete und einsteigen wollte, sagte jemand über seine Schulter: »Sollen wir es uns teilen?«
Decker drehte sich um und schaute in Donattis ausdrucksloses Gesicht.
»Ich bin immer dafür, Geld zu sparen.« Decker trat zur Seite. »Schönheit vor Alter.«
Donatti stieg ein. Decker folgte ihm und gab dem Fahrer Donattis Adresse im Norden Manhattans an. Die Fahrt verlief schweigend, bis Chris' Mobiltelefon klingelte. Er wartete, bis das Klingeln aufhörte, und als er die Nummer kontrollierte, blitzte Widerwille in seinen Augen auf. Dann entspannten sich seine Züge wieder.
Die Fahrt dauerte über zwanzig Minuten. Decker bezahlte den Fahrer, und Donatti erhob keinen Einspruch. Sobald sie den Loft betreten hatten, sagte Donatti: »Ich muss einen Anruf von meinem Büro aus beantworten. Warten Sie hier. Sie können sich einen Kaffee zubereiten, wenn Sie wollen.«
»Soll ich auch einen für Sie machen?«, fragte Decker.
»Nein, ich kann keinen Kaffee mehr sehen. Ich habe auch einen Glenlivet Single Malt im Schrank, unter der Kaffeekanne. Bedienen Sie sich.«
Normalerweise trank Decker nicht. Aber er schenkte zwei Gläser Scotch ein, um so etwas wie eine gemeinsame Ebene zu schaffen. Als Donatti zurückkam, reichte Decker ihm ein Glas. »Haben Sie mit Joey
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