Die Schwingen des Todes
am Verhungern. Und nein, ich möchte mir nichts mit dir teilen.«
»O Mann, da scheint aber jemand stark Unterzucker zu haben«, stellte Sammy fest.
»Iss doch Brot«, schlug Rina vor. »Ich will kein Brot«, knurrte Decker. »Ich will Fleisch.« Endlich kehrte der Kellner mit dem Block in der Hand zurück. »Sind Sie so weit?« »Ich bin schon seit einer Dreiviertelstunde so weit.« »Peter.«
»Chateaubriand für zwei für einen«, bestellte Decker.
»Das ist aber eine große Portion«, bemerkte der Kellner.
»Gut - die brauche ich jetzt auch«, entgegnete Decker und gab ihm die Karte. Die Jungs beschlossen, sich ein Chateaubriand zu teilen.
Rina entschied sich für das Rib Steak. Hannah bestellte einen Hot dog mit Pommes. Als jemand Jacob beim Namen rief, drehte er sich um.
»Reuven! Was machst du denn hier?«
»Wahrscheinlich dasselbe wie du«, antwortete der. »Ich leiere meinen Erzeugern eine Mahlzeit aus den Rippen. Sind das deine Eltern?«
»Ja«, sagte Jacob.
Reuven lächelte. »Schön, Sie kennen zu lernen, Mr. und Mrs. Lazarus.«
»In meinem Fall Mr. Decker«, antwortete Decker. »Ich bin nämlich der Stiefvater.«
»Das schon, aber er zahlt meine Collegegebühren - das q ualifiziert ihn als Vater«, antwortete Sammy.
Reuvens Vater lachte und streckte Decker die Hand hin. »Shragy Miller.«
»Genauer gesagt Rav Miller«, erläuterte Jacob.
Decker gab ihm die Hand. »Angenehm, Rav Miller.«
»Nennen Sie mich einfach Shragy. Das hier ist meine Frau Rivka. Meine Tochter, Rachel.«
Miller war ein untersetzter Mann, der die schwarze Kleidung der Rabbiner trug. Seine Frau war hoch gewachsen und hager und trug eine scheitl - die Kopfbedeckung der orthodoxen Jüdinnen. Ihr Gesicht war so spitz wie das ihres Mannes rund. Die Tochter hatte das Beste beider Elternteile mitbekommen: ebenmäßige Züge, strahlende, haselnussbraune Augen und kastanienbraunes Haar. Sie war sehr hübsch und nicht nur Decker aufgefallen. Sammy hatte bereits Augenkontakt aufgenommen; jetzt sah er nach unten auf seine Serviette.
Der Nebentisch war soeben frei geworden, und es bot sich geradezu an, die Millers zu fragen, ob sie nicht dort Platz nehmen wollten. Nachdem Rina das getan hatte, stellte sie sich Rivka vor, und nach einigem Hin und Her hatten schließlich alle ihren Platz gefunden. Das Mädchen brachte das Kunststück fertig, mit Sammy zu reden, ohne ihn dabei anzusehen. Ein ziemlich guter Trick; Decker vermutete, dass man so etwas im Grundkurs züchtiges Verhalten für fromme jüdische Mädchen lernte.
»Auf welcher Uni bist du?«, fragte Rachel gerade.
»Einmal darfst du raten.«
»Yeshiva University.«
»War ja auch nicht schwer.«
»Yeshiva und Columbia«, merkte Jacob an.
»Aha«, sagte Rachel. »In leichter Fallhöhe zum Gesindel.«
»Ich bin das Gesindel«, sagte Sammy. »Die Yeshiva ist in m einem Hauptfach nicht der Hit, deshalb darf ich an einem Austauschprogramm der beiden Unis teilnehmen.«
»Was studierst du denn im Hauptfach?«
»Neuropsychologie... im Vorstudium. Aber ich wollte eben keine halben Sachen, sondern einen richtigen Abschluss machen.«
»Ja, dasselbe versuche ich gerade im Stern College, aber ich stoße da auf einige Widerstände.« Ihre Stimme klang angespannt. »Aber du hattest da ja wahrscheinlich keine Probleme... so als Mann.«
Sammy ging sofort darauf ein. »Ich kann mir gut vorstellen, dass einige der älteren Rabbis auf dem Stern College ziemlich antiquierte Vorstellungen davon haben, was Mädchen tun sollen und was nicht.«
»Die haben sehr genaue Vorstellungen, was sich für jemanden gehört, der aus einer Familie von Schwarzhüten kommt.« »Man muss eben wissen, wie man es anstellt.« »Hast du ein paar Tipps auf Lager?« »Ein paar schon. Wenn du interessiert bist.« »Und wie.«
»Hört mal, Kinder«, meinte Rina plötzlich. »Wollt ihr euch nicht an einer Seite zusammensetzen und wir an der anderen?«
Erneutes Stühlerücken. Diesmal kamen Rachel und Sammy nebeneinander zu sitzen.
»Hab ich ein Glück«, freute sich Rav Miller, »dass ich neben so einem Schätzchen sitzen darf.« »Sag schön guten Tag, Hannah«, forderte Decker sie auf. »Guten Tag.«
»Was lernt ihr denn gerade in der Schule?«, erkundigte sich der Rabbi.
»Wir nehmen die dinim durch, die an Pessach zu beachten s ind. Und die Haggada natürlich.«
»Und was kannst du mir über die Haggada sagen?«
»Dass HaSchem sich beeilen musste, die Juden aus Ägypten herauszuführen.«
»Richtig.
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