Die Séance
ausgebreitet lag, verwandelte es sich im Sonnenstrahl in eine fließende Fackel. Ihre Wimpern allerdings waren etwas dunkler, ruhten bei geschlossenen Augen auf ihren Wangen und verliehen ihr etwas Geheimnisvolles. Er hatte plötzlich einen Kloß im Hals und spürte ein Kribbeln in seinen Lenden. Aber er hatte nicht vor, sie aufzuwecken, er sah sie einfach nur an, fühlte eine Wärme, dachte, was für ein Glückspilz er war, und hatte doch Angst, darüber nachzudenken, was das bedeuten mochte.
Schließlich stand er auf, verlor die Geduld mit sich selbst.
Er kannte sie schon ewig, und sie hatte ihm immer etwas bedeutet. Wie auch nicht. Sie war Anas kleine Freundin. Anas kleine Freundin, die groß und aufregend geworden war, mit eleganter Figur und großen blauen Augen. Als er so darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass sie schon immer etwas verbunden hatte.
Aber geliebt hatte er Margaritte.
Wenn er jetzt wieder lieben konnte …
War das nicht wie ein Treuebruch?
Darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, also stellte er sich unter die Dusche. Er hatte seine Frau wirklich vergöttert, da gab es überhaupt keinen Zweifel. Und es war die reine Folter gewesen, sie sterben sehen zu müssen, Tag für Tag, jeden Tag ein kleines bisschen. Da war er nicht treulos gewesen. Ist niemals von ihrer Seite gewichen. Kämpfen. Hoffen.
Aber am Ende hatte all das Kämpfen und Hoffen nicht das Geringste geändert.
Natürlich hatte es seitdem andere Frauen gegeben. Er hatte nicht wie ein Mönch gelebt. Aber bei Christie war das etwas anderes. Diese Sache könnte ihn verletzen. Sie könnte ihn verletzen. Sehr verletzen.
Er konnte sich aber auch nicht von ihr fernhalten. Dazu wollte er sie viel zu sehr. Brauchte er sie, sehnte sich nach ihr …
Verdammt, er wollte nicht darüber nachdenken.
Er zog sich an, und dann folgte ihm der Hund ins Erdgeschoss, wo Jed den Fernseher anmachte, auf seine Uhr schaute. Er rief Jerry an, der ihm vorschlug, bei einer Besprechung mit dem FBI dabei zu sein, fand das Hundefutter und gab Killer zu fressen. Das war ja wirklich ein reizendes kleines Biest.
Er verließ das Haus, sorgfältig darauf achtend, dass das Schloss hinter ihm einrastete. Es wäre besser, wenn die Tür zusätzlich von innen verriegelt gewesen wäre, aber jetzt war helllichter Tag. Und dieser Hund bellte wie von der Tarantel gebissen, wenn sich irgendjemand dem Haus auch nur nähern wollte.
Es war totenstill, als Jed die Tür zu dem kahlen Konferenzraum im Polizeirevier öffnete. Einige der Beamten kannte er, andere nicht. Zweifellos waren viele der Männer der Ansicht, dass er gar nicht hierhergehörte, aber Tiggs meisterte die Situation für ihn.
“Für alle, die ihn nicht kennen, das hier ist unser berühmter Ex-Cop Jed Braden. Er hat jetzt eine Lizenz als Privatdetektiv, und er arbeitet für die Familie von Beau Kidd”, verkündete Tiggs.
Ein Murmeln ging durch den Raum.
“Verdammt, Sie machen wohl Witze”, flüsterte jemand. “Nach diesem Buch?”
“Ja, eine Ironie des Schicksals”, sagte Jed, wählte sich einen Stuhl im hinteren Bereich und sah sich im Saal um. Mal O’Donnell und Jerry saßen vorn. Doc Martin war auch anwesend, zusammen mit mehr als zwanzig weiteren Polizisten, die meisten von der örtlichen Polizei, aber mindestens sechs kamen auch von der Staatspolizei.
Einer der jüngeren Detectives lehnte sich zu ihm, um Jed auf den neuesten Stand zu bringen. “Das ist Gil Barron, der da gerade redet, vom FBI. Scheint immerhin noch ein bisschen in Kontakt mit der Realität zu stehen.”
Jed war nicht sicher, was das genau heißen sollte, aber er nickte ein Dankeschön, dann hörte er zu.
“Es ist ja offensichtlich, dass unser Täter hinter einem ganz bestimmten Frauentyp her ist. Ob wir es hier mit demselben Kerl zu tun haben wie vor zwölf Jahren oder mit einem zweiten Mörder, das Opfer ist immer jung, gerade so um die fünfundzwanzig. Keine Prostituierte. Sie ist entweder selbst eine Entertainerin oder arbeitet mit Entertainern zusammen.”
“Das grenzt es natürlich super ein. Weiß der Kerl denn nicht, dass wir hier lauter Themenparks haben?”, murmelte einer der Cops.
Gil Barron hatte das offensichtlich mitbekommen, aber er schien nicht irritiert zu sein. Er lächelte nur. “Ein ziemlich harter Brocken, was? Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas Neues erzählen. Leider kann ich nur wiederholen, was wir bereits wissen. Wir haben von diesem Kerl ein Profil erstellt, und wir glauben, der
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