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Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Titel: Die Sechzigjaehrige und der junge Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Iuga
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Leid, was steht dir ins Haus, eine unerwartete Nachricht von einem Karo-König, einer Amtsperson, irgendein Verleger, ein Sponsor. Was du nicht weißt – dass du von dem roten Herzbuben etwas Gutes zu hören bekommst, du hast einen langen Weg vor dir, du wirst irgendwohin ins Ausland gehen, was sicher ist, baldiger Reichtum, wahrscheinlich gewinnst du bald im Lotto oder bekommst einen Preis für einen Roman. Na, was willst du, im Großen und Ganzen hast du ein gutes Blatt gehabt. Leid und Schaden sind der Kreuz-Dame zugefallen, aber Vorsicht, man kann es auch anders auslegen. Dass dir die Kreuz-Dame Schaden und Leid bringt. Sie lässt die Karten in einer gewissen Unordnung liegen. Wieder reißt der Faden, wieder weiß sie nicht, wo sie das Gespräch noch einmal anknüpfen soll. Im Allgemeinen läuft es doch so, eine verletzte Frau wird sehr gefährlich. Ich kenne Fälle, in denen eine zurückgewiesene Frau sich an dem Mann, den sie liebt, fürchterlich rächt. Ich glaube, Frauen sind ehrgeiziger als Männer, und wenn sie eifersüchtig sind, fühlen sie sich in ihrer Eitelkeit gekränkt, Männer hingegen in ihrer Körperlichkeit. Diese Theorie hatmir mal irgendjemand erklärt, ich weiß nicht mehr wer. Immer ist es das Gleiche, mir kommen alle möglichen Gedanken in den Kopf, ich erinnere mich, dass ich sie einmal irgendwo gehört habe, aber ich weiß nicht mehr wo. Mit den Büchern ist es noch schlimmer. Die meisten meiner schlauen Sätze habe ich aus Büchern, aber ich weiß nicht mehr, aus welchen. Man sagt ja, ein Mensch sei erst dann gebildet, wenn er alles Gelesene wieder vergessen habe. Schöner Trost! Ich fürchte mich vor diesem Nichts, das mich und alles, was ich einmal kannte, Schritt für Schritt verschluckt. Das Verschwinden von Ereignissen ist schon traurig genug, aber das Verschwinden von Erinnerungen ist endgültig und irreparabel. Jemand schneidet sich ganze Scheiben deines Lebens ab, und du siehst zu und merkst, wie dein Brot langsam zur Neige geht, und freust dich an den letzten Krümeln. Weißt du, wenn man beginnt, alt zu werden, dann sind zwei Dinge am Schmerzlichsten, das Verlöschen des Augenlichtes und das Schwinden des Gedächtnisses. Damit beginnt die Ablösung von der Welt. Und im Grunde beginnt hier der Tod. Aber für dich ist es noch weit bis dahin … Ich bin mir dessen bewusst, dass ich, indem ich dir so viel erzähle, der Verlierer bin, denn der, der mehr erzählt, wird von dem, der zuhört, abhängig, nicht umgekehrt. Ich glaube, ich sagte das schon – wie wenige Ideen sind mir geblieben. Der, der mehr sagt, ist normalerweise der Mann, der Zuhörer die Frau. Der Mann entlädt sich ununterbrochen, es ist die Frau, die sich bis zur Übersättigung füllt. Deshalb kehrt ein Mann, auch wenn er mehrere Frauen hat, immer zu derjenigen zurück, die es versteht, zuzuhören. Der Frau ist das zu viel. In ihr ist kein Platz mehr, es wird zur Qual. Wenn siegeht, dann ist es in den meisten Fällen für immer. Der grüne Blick ist wieder bei Annas Augen gelandet, er sitzt brav wie im Konzert, will sich nichts entgehen lassen, es ist deutlich, dass ihn diese Musik anzieht, er versucht, ihren Sinn zu erfassen, wie kann eine solche Banalität sein Interesse wecken?! Anna ist glücklich, sie beginnt wieder zu hoffen. Wenn ein Mann dir so zuhört, wenn ein Mann dich so ansieht, und seine Finger streicheln dabei die Tischkante – und sie selbst fühlt ihre Schultern und all die zufälligen Berührungen, als wären sie von einem geheimen Code vorbestimmt, der dich glauben lässt, Gott selbst sei in diese Sache verwickelt; es ist genau so, wie er ihr vor einer Woche gesagt hat, dass er, wenn er mich verlieren würde, wenn er meine Freundschaft verlöre, sich nicht vorstellen könne, das zu überleben, zwischen uns sei alles so rein. Und ich glaubte ihm, konnte nicht anders, als ihm zu glauben, als er mir gestand, was ich ihm doch hätte gestehen wollen, wären die Selbstzweifel nicht gewesen. Etwas geschieht mit mir, ich möchte dir das unbedingt sagen. Wenn ich nicht mit dir zusammen bin, ist alles, was ich tue, reine Routine. Meine Zeit ist fast bis zum Letzten abgelaufen, ich habe ununterbrochen das Gefühl, dass der Tod mich jeden Augenblick ereilen könnte. Ich arbeite wie besessen, als nahe mein Ende. Nur wenn du hier bist und unser Leben in Worten langsam dahinfließt – auch ein Anruf macht mich schon glücklich –, dann geht die Zeit wieder ihren normalen Gang, ich fühle sie wieder als etwas

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