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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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einmal um, ob irgendwo Vanandel – die echte Vanandel – zu sehen war. Sein Kopf drehte sich, ob vom Tanzen, von Chaantreas Küssen, vom Wein oder von all dem zusammen, und er war mit einem Mal so müde, dass er kaum glaubte, es noch in sein Bett zu schaffen.

Vanandel eilte in ihr Zimmer, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich einen Moment lang dagegen. Der kurze, intensive Impuls, der sie hierher getrieben hatte, drohte schon wieder zu verebben, aber sie bürstete mit fliegenden Händen ihre verschmutzten Rocksäume aus, glättete vorsichtig ihre Frisur, schleuderte die durchnässten und schmutzigen Schuhe von den Füßen und stieg mit schmerzverzerrter Miene wieder in die hübschen, zu kleinen vom Vormittag.
    Dann holte sie den Ring aus seinem Versteck und steckte ihn an. Wenige schwindelerregende Atemzüge später stand ihr Imago vor ihr und lächelte leer. »Geh zum Ball, tanz, amüsier dich«, befahl Vanandel und sah zu, wie ihr Ebenbild lächelnd knickste und das Zimmer verließ.
    Sie stand da, sekundenlang unschlüssig, was sie nun tun wollte. Dann begann sie, sich auszuziehen. Mit jedem seidig raschelnden, steifen, prächtigen Kleidungsstück, das zu Boden fiel, fühlte sie sich leichter, bis sie schließlich meinte, die Arme ausbreiten und durch das Fenster davonfliegen zu können.
    Sie schlüpfte in ihre abgetragenen Männerkleider und steckte den Zopf hoch, damit er unter die Mütze passte. Wahrscheinlich war es verrückt, was sie tat, aber es war gleichzeitig vernünftiger als ihr ganzes Tun und Lassen der letzten Tage – dieses müßige Sitzen an Teetischen und Herumflanieren am Arm ihres Verlobten, diese öden Gesellschaften und nichtssagenden Unterhaltungen …
    Sie wagte es, die Tür zu öffnen. Der erste Teil der Strecke durch das Gebäude war der riskanteste, wenn sie erst einmal die Wirtschaftsräume erreicht hatte, würde sie niemand mehr aufhalten – nicht an einem Tag wie heute, wo Lieferjungen, Küchenhilfen und Botengänger in Scharen das Haus bevölkerten.
    Sie erreichte unbehelligt den Küchengang und durchquerte ihn. Jemand rief »He, Junge« hinter ihr her, aber sie ging unbeirrt weiter und öffnete die Tür zum Garten. Sie sah sich um, ob jemand sie beobachtete, und rannte dann zwischen den Beeten hindurch in den Gemüsegarten und kletterte dort auf einen Apfelbaum, von dessen Ästen sie die Mauer erreichen konnte. Dort kauerte sie eine Weile und beobachtete den vorderen Schlosshof. Als für einen kurzen Moment niemand auf dem Hof war, sprang sie von der Mauer und ging betont langsam auf das Tor zu. Sie erreichte es und öffnete die Pforte in dem mächtigen Tor. Nur ein Schritt und sie war in der Freiheit.
    Sie holte tief Luft, atmete den starken Geruch der Stadt ein, der sich so sehr von der parfümierten und wohlriechenden Luft im Schloss unterschied. Fisch und Staub und Schweiß und Unrat. Dann trat sie zurück in den Hof und schloss die kleine Pforte wieder. Sie drehte sich um und kehrte ebenso entschlossen zurück zum Haus, wie sie es verlassen hatte. Sie schlug einen Bogen um die Vortreppe, auf der die allerletzten Vorbereitungen für das Eintreffen der Gäste getroffen wurden, und schlüpfte durch ein Seitentürchen in der Gartenmauer. Drinnen war es abendlich still und friedlich. »Was will ich hier eigentlich?«, haderte sie mit sich, während sie die gewundenen Wege zum Teich entlanglief. »Ich muss verrückt sein! Jeden Moment kann einer der Gärtner hier des Wegs kommen und mich entdecken.«
    Erst als sie den Park durchquert hatte und auf die Fenster des Gästeflügels zulief, erkannte sie, was sie hierher geführt hatte. Sie blieb stehen, erschreckt wie ein Hase, der die Meute hört, und sah sich um. Wenn sie dort um die Hausecke lief, konnte sie das hintere Tor zu den Stallungen nehmen und durch die verborgene Pforte verschwinden.
    Â»Vanandel?«, sagte eine Stimme. »Bist du es?«
    Sie seufzte lautlos und drehte sich um. Neben dem Holunderbusch kniete Maris auf dem Boden und hielt einen der Zweige zwischen den Fingern. Sie sah erleichtert, dass er ohne Begleiter war, also musste sie dem Barden ihren Aufzug nicht erklären. Woher hatte er gewusst, dass sie es war?
    Â»Ja«, sagte sie leise und ging zu ihm. Sie sah sich um, von den Gästezimmern aus war sie wunderbar zu sehen. »Lass uns dort

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