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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Chaantrea sah ihn so erwartungsvoll an, dass er sich einen Esel schimpfte, den Ring über den Finger zog – den kleinen, an dem er auch einmal einen anderen Ring getragen hatte, wie er sich undeutlich erinnerte – und ihn Chaantrea zur Begutachtung entgegenhielt.
    Sie nahm seine Hand und hielt sie in den schmalen Streifen Mondlicht, der durch die Öffnung in die Laube fiel. »Hübsch«, sagte sie zufrieden. Der Ring schimmerte silbern und Lluigolf erkannte, dass er einen winzigen, geschliffenen Stein trug, der feine blaue Reflexe über seine Hand schickte.
    Chaantrea zog seine Hand an ihr Gesicht, beugte sich darüber und küsste den Finger, an dem der Ring saß. Der Kuss war kalt und heiß zugleich, er durchfuhr Lluigolf wie ein Fieberschauer. Dann schrie er erschreckt auf und entzog Chaantrea die Hand, denn sie hatte ihn übermütig und spielerisch gebissen. Ihre Zähne waren klein und scharf, und sie hatte ein wenig seine Haut geritzt, aus der jetzt ein Tröpfchen Blut sickerte.
    Â»Oh, ich habe dich verletzt«, sagte sie lächelnd und zog seine Hand wieder an den Mund, um das Blutströpfchen abzulecken.
    Lluigolf lachte unsicher und wollte sie umarmen, aber sie wich zurück und stand auf. »Wir sollten wieder hineingehen.«
    Der Ballsaal warf Licht und Musik auf den kiesbestreuten Vorplatz. Sie liefen die Treppe empor und standen eine Weile vor den bodentiefen Fenstern, um das Treiben drinnen zu beobachten, ehe sie in den Saal und an ihren Tisch zurückkehrten.
    Â»Da bist du wieder, mein Herz«, sagte Uldis und stand auf, um seine Tochter zu umarmen und auf beide Wangen zu küssen. Sie flüsterte etwas in sein Ohr, und er wandte den Kopf, um Lluis anzublicken. Seine hellen Augen waren ein wenig verschleiert, als bedauere er, was er hörte, aber als er Lluigolfs Blick traf, lächelte er und nickte.
    Jetzt kehrten auch die beiden anderen Elben an den Tisch zurück und alle tranken von dem rosig perlenden Wein, knabberten Gebäck und plauderten. Lluis sah sich um und fragte sich, wo Vanandel wohl sein mochte. Ihr Ebenbild saß mit gelangweilter, um nicht zu sagen, geistloser Miene neben ihrem Vater und dem Langländer und starrte ins Leere, während ihr Verlobter mit einer Hofdame parlierte.
    Eine Hand legte sich auf seinen Arm. »Was beschäftigt dich, Lieber?«, fragte Chaantrea und folgte seinem Blick. »Die Prinzessin sieht heute wirklich lieblich aus«, fuhr sie fort. »Sonst ist sie immer so angespannt, aber die Verlobung scheint ihr gutzutun.«
    Lluigolf sah sie fragend an. Scherzte sie? Aber nein, ihr Gesicht war ernst. Er schaute zu Vanandels Stellvertreterin, die verträumt mit einem Fuß baumelte. Das war jedenfalls nicht die Vanandel, die er kannte und mit all ihrer Widerborstigkeit schätzte.
    Â»Wollen wir tanzen?«, fragte er, um sich und Chaantrea von diesem Thema abzulenken. Sie nickte und wartete, bis er aufgestanden war und ihr den Arm bot. Dann erhob sie sich anmutig und schritt an seinem Arm zur Tanzfläche.
    Der Abend wurde zur Nacht, und die ersten Gäste brachen auf, zufrieden und müde vom Tanzen, Lachen und Trinken.
    Der Herr von Wasserberg, der sich den ganzen Abend nicht von seinem Platz gerührt hatte, sah grau und erschöpft aus. Chaantrea hockte sich neben ihn, eine Hand auf seinem Knie, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er schüttelte einmal, zweimal den Kopf, dann legte er eine Hand auf ihre Wange und beugte sich vor, um sie auf die Stirn zu küssen.
    Chaantrea erhob sich und sagte zu Lluis: »Wir gehen jetzt. Ich bin müde und ich bin froh, wenn ich diese Schuhe ausziehen kann.« Sie winkte den beiden anderen Elben zu, die zwei Tische weiter mit einem jungen Paar sprachen, und bedeutete ihnen, dass sie aufzubrechen wünschte.
    Ihr Vater stand auf und hielt sich einen Moment lang am Tisch fest. Lluis hatte noch nie zuvor einen Elben gesehen, der so deutliche Zeichen von Schwäche oder Krankheit zeigte – nun, beinahe noch nie, wenn er an Maris, den blinden Elben dachte.
    Uldis bemerkte seinen Blick und richtete sich kerzengerade auf. Er nickte Lluis ernst zu, und der erwiderte das Nicken, ohne zu wissen, was Uldis ihm damit hatte bedeuten wollen.
    Dann brach die Gesellschaft auf. Chaantrea hatte noch einmal kurz und zärtlich Lluigolfs Hand gedrückt und »Morgen« geflüstert, dann war sie fort. Lluis stand ein wenig verloren am Tisch, sah sich noch

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