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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sie sich. »Lass mich los«, sagte sie.
    Â»Nein«, erwiderte er. »Ich möchte wissen, worüber du dich so geärgert hast.« Seine Brauen zogen sich zusammen, eins der seltenen Zeichen von Sorge. »Ich wünschte, ich könnte dein Gesicht sehen«, sagte er.
    Â»Ach, Maris«, sie fühlte, wie der Zorn schmolz. »Du bist so anders als alle anderen – aber in manchem bist du genauso ein Mann wie jeder andere. Kannst du dir nicht denken, dass es mich zornig macht, wenn du mich zu meinem Verlobten schickst?«
    Â»Aber du hast doch selbst gesagt, dass du gehen musst«, erwiderte er verwirrt.
    Sie bemerkte, dass sie schon wieder ärgerlich wurde, und dann begann sie zu lachen und gab ihm einen Kuss. »Es ist alles wieder gut«, sagte sie. »Ich gehe jetzt und verabschiede meine Gäste, danach lasse ich mich beim Tee von meiner Familie langweilen, und dann …«
    Â»Und dann?« Sein erwartungsvolles Gesicht ließ ihr Herz schneller schlagen.
    Â»Dann komme ich zu dir zurück«, flüsterte sie. »Sieh also zu, dass du den Schreiber loswirst!«

Wenn er sich überhaupt Gedanken darüber gemacht hätte, dann hätte er sich das Anwesen des Herrn von Wasserberg wahrscheinlich genau so vorgestellt, wie es sich ihm nun präsentierte, als die Kutsche die breite Auffahrt zum Haus hinaufrollte.
    Lluigolf war wie in Trance in die Kutsche eingestiegen, und die Fahrt durch die Straßen der Residenz und hinaus aus dem Stadttor durch die schlafende Landschaft war wie ein Traum an ihm vorbeigezogen. Sie saß an seiner Seite, hielt seine Hand in ihren kühlen Fingern und hatte den Kopf an seine Schulter gelegt.
    Bis auf ihre zärtlich gehauchte Begrüßung und ein mitfühlendes und bedauerndes Murmeln, als sie vorsichtig die Blessuren in seinem Gesicht berührte, hatte Chaantrea kein Wort gesagt, und auch Lluis verspürte kein Bedürfnis, mit ihr zu reden, während die Kutsche durch die Nacht schaukelte. Es war angenehm, so schweigend neben ihr zu sitzen, ihren leisen Atem zu hören. Chaantrea spielte mit dem Ring an seiner Hand, und jede ihrer schmetterlingszarten Berührungen jagte kleine, prickelnde Schauer über seine Haut.
    Sie hielten vor dem Haupteingang des langgestreckten Gebäudes. Der Kutscher öffnete den Schlag und half Chaantrea beim Aussteigen.
    Lluis folgte ihr und sah der Kutsche nach, die hinter dem Haus verschwand. Wahrscheinlich lagen dort irgendwo die Remise und die Stallungen, und er glaubte, den nächtlich schweren Duft von Obstbäumen und grünen Hecken zu riechen. Es war so still, dass das Zirpen einer Grille unnatürlich laut in seinen Ohren schrillte.
    Â»Kommst du?«, fragte Chaantrea ungeduldig. Lluis schrak aus seiner Versunkenheit und murmelte eine Entschuldigung.
    Die geschwungene Treppe, die zum Eingang hinaufführte, lud mit angenehm breiten, weißen Stufen zum Heraufsteigen ein. Die schwere Tür mit dem bronzenen Klopfer in Form eines grinsenden Orkkopfes, der einen Ring in der Nase trug, war geschlossen, aber Lluis fühlte, dass der Eingang, ebenso wie das ganze Haus, ihn willkommen hieß. Er lächelte, als er hinter Chaantrea die Stufen emporstieg. Die Elbin öffnete die Tür, und ein kühler Lufthauch wehte ihn an. Es roch einen Augenblick lang ein wenig muffig, als sei das Haus seit Langem unbewohnt, dann verflog der Eindruck und machte einem zarten Blumenduft Platz.
    Die Eingangshalle war dunkel, nur am Fuß der Treppe ins obere Geschoss brannte eine Lampe und warf einen freundlichen gelben Schein über die ersten Stufen.
    Â»Es schlafen sicher alle. Lass uns gleich nach oben gehen«, sagte Chaantrea. Sie wartete seine Antwort nicht ab, und Lluis beeilte sich, ihr zu folgen. Er fragte sich, was der Herr von Wasserberg wohl dazu sagen mochte, dass seine Tochter mitten in der Nacht jemanden ins Haus brachte – und dann auch noch ohne große Umstände in die obere Etage, die sicherlich die Privaträume der Familie beherbergte.
    Chaantrea führte ihn einen langen Gang hinunter und öffnete die letzte Tür auf der Gartenseite. Das große Zimmer dahinter war kahl und beinahe unmöbliert bis auf ein schmales Bett. Lluis schüttelte den Kopf und rieb mit der Handfläche über seine Augen. Was auch immer seine Sinne genarrt hatte, verschwand wie ein Spuk, und er schaute sich in dem Zimmer mit seinen weichen Teppichen und zierlichen

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