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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sank auf das Lager zurück, ihre Hand löste sich von Lluigolfs Nacken und fiel raschelnd herab.
    Â»Siiran«, schrie er auf. Er nahm seine Liebste bei den Schultern und richtete sie auf. Federleicht lag sie in seinen Armen, ihr Blick war leer und ihr Körper schlaff. Während er sie ansah, legte sich ein milchiger Schleier über das wunderbare Blau ihrer Augen.
    Schritte eilten den Gang hinauf, und Siirans Schwester kam herein. Sie sah ihn mit der Toten im Arm, schlug die Hände vor den Mund und begann zu weinen.
    Â»Lareen, was habt ihr mit ihr gemacht?« Seine Stimme war heiser vor Schmerz und Zorn.
    Lareen fiel neben ihm auf die Knie und nahm Siirans Hand, bedeckte sie mit Küssen und Tränen.
    Lluigolf schlug in ohnmächtiger Wut gegen das Lager, auf das Siiran gebunden war. »Was habt ihr mit ihr gemacht?«, wiederholte er.
    Lareen wischte mit dem Ärmel über ihr Gesicht. »Sie war krank.«
    Lluis spuckte aus. »Fesselt man Kranke bei den Elben und lässt sie dann sterben?«, fluchte er.
    Lareen schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, du verstehst nicht!« Sie rang die Hände. »Es ist nicht wie bei euch – wie bei den Menschen. Wir kennen keine Krankheiten. Das, was Siiran befallen hat – es ist ein Fluch.«
    Â»Ein Fluch!«, wiederholte Lluigolf ungläubig. Die Tränen der Elbin flossen erneut. Sie nickte nur und schluchzte erstickt.
    Â»Was für ein Fluch?«, beharrte Lluigolf, doch Lareen schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. Ihre Augen baten ihn, nicht weiter in sie zu dringen. Lluis packte ihre Schultern und schüttelte sie unsanft. »Was ist das für ein Fluch? Wer hat ihn verhängt? Ich werde ihn finden und …«
    Lareen riss sich los und sprang auf. Sie sah ihn schreckerfüllt an. »Seelentrinker«, stieß sie hervor und floh aus dem Zimmer.
    Lluigolf hockte lange Zeit wie betäubt neben Siirans Lager, dann nahm er sein Bündel und ging. An der Tür warf er einen letzten Blick zurück. Siirans Haar leuchtete in einem Sonnenstrahl, der sich durch das dichte Blätterdach gestohlen hatte. Der Halbelbe blinzelte Tränen aus den Augen und verließ das Haus. Draußen blickte er sich verwirrt um. Die kleine Elbensiedlung schien wie ausgestorben. Er fragte sich, wo Siirans Eltern waren. Warum nur hatten sie ihre Tochter ganz alleine in dem leeren Haus sterben lassen?
    Am Waldrand glaubte er, klagende Stimmen zu vernehmen, aber als er sich dem Ort näherte, war es nur eine Schar von Schnarrhühnern. Ohne sich noch einmal umzusehen, tauchte er ins dämmrige Innere des Waldes.

Lluigolf setzte den ganzen Tag lang einen Fuß vor den anderen, vor Kummer blind und taub für seine Umgebung, unempfindlich gegenüber seinen schmerzenden Füßen, seiner staubtrockenen Kehle und dem nagenden Hunger in seinen Eingeweiden.
    Wund an Leib und Seele verkroch er sich in der späten Abenddämmerung des zweiten Tages in einem Unterstand, der sonst wohl einem Schafhirten als Regenschutz diente. Er kehrte sich altes Laub zu einer notdürftigen Unterlage zusammen und breitete seine Decke darauf aus. Dann hockte er da, zu müde und zerschlagen, um ein Feuer zu machen, kaute lustlos an dem harten Kanten Brot und starrte in die Dunkelheit. Seine Finger spielten mit dem Ring, den er in seiner Tasche gefunden hatte, ein schmaler Silberreif mit einem winzigen, blutroten Stein, dessen Facetten schimmernd das schwache Licht zurückwarfen. Er hatte nicht gleich gewusst, was das für ein Ring war, als er ihn in seiner Hosentasche gefunden hatte. Ratlos hatte er ihn betrachtet, und als es ihm endlich einfiel, schossen ihm Tränen in die Augen. Er hatte nie gesehen, dass Siiran diesen Ring trug, aber er war ihr vom Finger gerutscht, also musste das Schmuckstück ihr wohl gehört haben. Er schob den Ring auf den kleinsten Finger der Linken und küsste den winzigen Rubin. Es kitzelte sacht, und seine Lippen prickelten noch einen Moment lang, als hätte Siiran seinen Kuss erwidert.
    Lluigolf zog die Decke hoch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Wenn er die Augen schloss, sah er Siirans ausgezehrtes Gesicht vor sich, also ließ er sie lieber offen und starrte die löchrige Decke des Unterstandes an. Als der Schlaf endlich kam, war er dunkel und schwer, erfüllt von traurigen Rufen und zornigen Gesichtern.
    Er erwachte, weil es nass auf sein Gesicht tropfte. Die

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