Die Seele der Elben
Welt lag unter einem trüben grauen Regenschleier, und Lluigolf stapfte durch Pfützen und Schlammlöcher den Weg weiter entlang, der ihn von zu Hause forttrug.
Mittags rastete er am Wegesrand. Es hatte endlich aufgehört zu regnen und von den Wiesen stieg feuchter Dunst auf. Er aà die kärglichen Reste seines Proviants und folgte dann weiter dem Weg durch Felder und Wiesen, bis er gegen Abend an ein Flussufer gelangte. Das musste die Brin sein. Sie musste er überqueren, wenn er Raakus, die Residenz der Mark, erreichen wollte. Der Weg führte zu einer Anlegestelle, an der ein Kahn angebunden lag. Einige Schritte weiter sah er eine alterskrumme, reetgedeckte Kate stehen, an deren Tür er klopfte.
Nach einer Weile öffnete ein missmutig dreinblickender Mann und sah ihn fragend an.
»Bist du der Fährmann?«, fragte Lluigolf. »Ich möchte über den Fluss.«
Der Mann räusperte sich krächzend und spuckte einen Batzen Schleim neben Lluigolfs abgetragene Schuhe. »Heit nimmer«, sagte er und machte Anstalten, die Tür zu schlieÃen. Lluigolf hielt sie fest. »Bitte«, sagte er höflich. »Ich bezahle die Passage natürlich.«
Der Mann spähte durch den Türschlitz. »Fer umsunst teet i di aach nit mitnemme«, sagte er unwirsch. »Heit nimmer! Kummst murge widder.« Lluigolf musste sich anstrengen, den zähen Dialekt des Fährmanns zu verstehen.
»Hast du ein Nachtlager für mich?«, fragte er, denn der düstergelbe Himmel versprach schon wieder Regen.
Der Fährmann zögerte. Dann schob er die Tür ein Stück weiter auf und deutete hinter das Haus. »Do«, knurrte er und schloss endgültig die Tür.
Lluigolf folgte dem Daumenzeig und entdeckte einen baufälligen Verschlag mit ebenso löchrigem Dach wie das des Schäferunterstands am Abend zuvor. »Die Leute hier haben es wohl gerne feucht«, murrte er und richtete sich in der Ecke ein, die noch den gröÃten Schutz versprach. Gegen Morgen erwachte er, weil er in einer groÃen Pfütze lag. Seine Decke war klatschnass und ebenso seine Kleider. Fluchend verlieà er den Verschlag und hämmerte gegen die Tür der Kate. »He, Fährmann«, rief er. »Dein Fahrgast wartet!«
Er hockte sich auf einen glitschigen Holzstapel und wickelte sich fröstelnd in seine nasse Jacke. Endlich öffnete sich die Tür, der Fährmann trat heraus und ging gruÃlos zum Anlegesteg hinunter. Lluis folgte ihm. Dort hielt der Fährmann ihm eine schwielige Hand unter die Nase. »Een Taler«, forderte er.
»Aber das ist ein ganzer Silber-Dan!«, rief Lluigolf empört. »Ich wollte deinen Kahn doch nicht kaufen!«
Der Fährmann hielt nur weiter seine Hand auf. Zähneknirschend fischte Lluigolf seinen schmalen Beutel hervor und zählte zehn Kupfer-Dan ab. »Bitte sehr, ein Marktaler. Halsabschneider!«, knurrte er.
Der Mann lieà die Münzen in seiner Tasche verschwinden und band den Kahn los. Lluigolf sprang an Bord, und der Fährmann wriggte ihn schweigend über den Fluss. Ebenso wortlos stieà er drüben wieder ab und ruderte zurück, kaum dass sein Fahrgast ans Ufer gesprungen war.
Lluigolf stand tief im Matsch des Uferrandes und schulterte seufzend sein Bündel. Die Sonne hatte endgültig die Wolken vertrieben und der Tag versprach heià zu werden. Mit ein bisschen Glück war er wieder einigermaÃen trocken, bis er die Residenz erreichte.
Die StraÃe war nun breiter und in besserem Zustand als der schlammige Pfad, der ihn hergeführt hatte. Gegen Mittag erreichte er eine Wegkreuzung, und als er sich noch fragte, in welcher Richtung es wohl weiterging, hörte er das Rollen von Rädern hinter sich. Ein Bauernkarren, beladen mit Kisten und Körben, hielt neben ihm. »Hallo, Junge«, sagte eine freundliche Stimme. »Auch auf dem Weg zum Markt? Wenn du willst, nehme ich dich mit.«
Lluigolf sah die rundliche Bäuerin dankbar an. »Ich möchte nach Raakus«, sagte er. Die Bäuerin nickte lachend.
»Jo, jo. Zur Residenz. Hüpf schon rauf.«
Lluigolf kletterte neben ihr auf den Bock und sie lieà mit einem Schnalzen und aufmunternden Klatschen der Zügel ihren schwerknochigen Gaul wieder anziehen.
Lange bevor die Mauern der Residenz vor ihnen auftauchten, wusste Lluigolf alles über Blida, ihren vor zwei Jahren verstorbenen Mann Omko, ihre vier Töchter, drei
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