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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Schwiegersöhne, fünf Enkelkinder, ihre Hunde, die Kühe im Stall und die Mäuse auf der Tenne. Lluigolf nickte immer wieder, stieß zustimmende Geräusche aus, lächelte und dachte an Siiran.
    Als der Redefluss versiegte, nickte er noch eine Weile weiter, brummte und wurde erst durch das herzliche Lachen der Bäuerin aus seinen Gedanken gerissen.
    Â»Hast du Hunger?«, fragte sie und deutete, ohne sein Nicken abzuwarten, auf einen Korb zwischen ihnen. »Greif zu. Du siehst aus, als müsstest du noch wachsen. Meine Enkelsöhne haben auch dauernd Hunger.«
    Lluigolf verzog ein wenig das Gesicht, ließ sich aber nicht zweimal bitten. Er biss in ein dick belegtes Butterbrot und seufzte vor Wonne. Er hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig er war.
    Blida musterte ihn von der Seite. »Bist du von zu Hause ausgerissen?«, fragte sie und hob gleich die Hand. »Es geht mich ja nichts an«, sagte sie. »Aber du siehst aus, als wärest du über irgendetwas traurig.«
    Lluigolf wischte sich die Krümel vom Mund und schüttelte den Kopf. »Meine Mutter schickt mich in die Residenz.«
    Blida nickte erleichtert. »Da hast du sicher Heimweh. Nun iss schon. Da ist auch noch Kuchen.«
    Der Weg machte eine Biegung, und vor ihnen tauchten hohe silbergraue Mauern auf. Lluigolf vergaß zu kauen und ihm fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Er hatte zwar gewusst, dass Raakus größer war als Weidenheim, aber er hatte es sich nicht richtig vorstellen können – bis jetzt. Der Karren rollte auf das mehrere Mannslängen hohe Stadttor zu, dessen mächtige Flügel einladend offen standen.
    Â»Wo soll ich dich absetzen?«, brach Blida das Schweigen. »Hast du Verwandtschaft hier? Einen Lehrherren?«
    Lluigolf atmete beklommen aus. Wo sollte er nur hin? Was sollte er hier anfangen? Er hatte sich ausgemalt, in der Residenz zu leben – aber wovon er leben wollte und was er hier zu tun gedachte, wo er niemanden kannte …
    Â»Wohin fährst du?«, fragte er ratlos.
    Â»Zum Markt«, Blida runzelte die Stirn. »Warum hat deine Mutter dich denn hergeschickt?«
    Â»Damit ich meinem Stiefvater aus dem Weg bin«, erwiderte er bitter.
    Â»Oh«, machte Blida betroffen, und Lluigolf sah verlegen zur Seite. Der Karren rumpelte über das Kopfsteinpflaster einer engen Gasse, und der Hufschlag hallte laut von den Häuserwänden wider. Die schmalen Fachwerkhäuser standen eng aneinander gelehnt, und die Menschen mussten ausweichen, damit der breite Karren passieren konnte.
    Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto belebter wurde das Gassengewirr. Jung und Alt, Gesund und Gebrechlich, Reich und Arm schien auf den Füßen zu sein und in dieselbe Richtung zu strömen.
    Â»Alle wollen zum großen Jahrmarkt von Raakus – du hast dir eine gute Zeit ausgesucht, um herzukommen«, erläuterte die Bäuerin, als sie Lluigolfs staunenden Blick sah. »Hier ist auch sonst immer viel Volk unterwegs, aber wenn zweimal im Jahr Jahrmarkt ist, findet keine Maus mehr einen Stall, wo sie übernachten könnte.« Sie riss die Augen auf. »Oh. Du hast noch keinen Schlafplatz, oder?«
    Lluigolf schüttelte den Kopf und seufzte.
    Inzwischen kamen sie nur noch im Schneckentempo voran. Ringsherum schoben und drängelten Menschen, und das Geräusch der Schritte, das Rufen und Lachen, Husten und Schimpfen, das Geklapper von Hufen und das Rollen der Räder wob einen dumpfen Klangteppich, aus dem immer wieder spitze Töne herausstachen wie das schrille Weinen eines Kindes, scharfes Hundegebell, der Schrei eines Esels, der Ruf einer Frau, das quäkende Pfeifen eines Instrumentes. Lluis hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten.
    Â»Was ist denn hier los?«, fragte ein rollender Bass hinter seinem Rücken. Lluigolf zuckte zusammen und drehte sich hastig um. Ein vollbärtiges Gesicht sah ihn aus verschlafenen braunen Augen an.
    Â»Ah, mein anderer Mitreisender ist erwacht«, sagte Blida vergnügt. »Gerade zur rechten Zeit, Herr Silberzunge. Wir sind gleich da.«
    Â»Gut so, ich bin schon ganz durchgerüttelt«, erwiderte der Bärtige. »Und mein Magen knurrt lauter als Orrins Meute.« Er richtete sich auf und streckte gähnend die langen Arme. Lluigolf betrachtete ihn vom dunkelblonden Scheitel bis zur Sohle seiner derben Stiefel und staunte. Der Bärtige fing seinen Blick mit einem breiten Grinsen auf.

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