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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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anhielt. Roske redete nicht viel, und man musste die Geduld aufbringen, seine langen Pausen abzuwarten.
    Â»Die Kröte liebt dich wie einen Sohn.« Wieder eine Pause. Lluis runzelte verblüfft die Stirn.
    Roske verfuhr mit der anderen Hälfte der Münzen genauso und beschriftete die beiden Beutel sorgfältig. »Aber die Kröte neigt gelegentlich dazu, ihre Kinder aufzufressen«, fuhr er in gleichmütigem Ton fort.
    Roske sah ihn an. Das lange, düstere Gesicht wurde höchst selten einmal von einem Lächeln erhellt, aber jetzt vertieften sich die Falten in seinen Augenwinkeln ein wenig. »Du bist ein schlauer Bursche. Schlaue Burschen lassen sich nicht fressen.«
    Â»Ich werde mich vorsehen«, murmelte Lluigolf unsicher.
    Â»Tu das. Und wenn du es schaffst, von deinen Verpflichtungen entbunden zu werden – oder das mir überlässt, wie ich dir schon einmal angeboten habe, kannst du jederzeit bei mir anfangen.« Der Wirt schüttete sich eine großzügige Portion seines Klaren ein und bedeutete Lluigolf, er möge sich bedienen. Für heute hatte er genug geredet, den Gedanken sah man seinem verschlossenen Gesicht deutlich an.
    Von seinen Verpflichtungen entbinden … Lluis kaute darauf herum wie auf einem zähen Knorpel. Roskes großzügiges Angebot, ihn bei der Kröte auszulösen, zeugte davon, dass der Wirt keine Ahnung von der Summe hatte, um die es inzwischen ging.
    Vibol hatte ihn zum Kollegium geschickt. Die Schüler wohnten und aßen dort, bekamen ein kleines Taschengeld und bei Bedarf Kleidung und Schuhwerk. Die Lehrer und das Personal mussten bezahlt werden. All das wurde von der Kröte gestellt, und er erwartete von seinen Schülern die Rückzahlung ihrer Schulden, sobald sie vom Kollegium abgingen. Auch Lluigolf hätte jetzt damit beginnen müssen, Geld zu verdienen und es bis auf eine kleine Summe, die er für sich behalten konnte, bei Vibol abzuliefern. Er half Hadmut gelegentlich bei den Abrechnungen für Vibol und wusste daher, wie lange er für die Kröte würde Frondienste leisten müssen, bis er wirklich frei war. Durch seine Entscheidung, weiter zur Schule zu gehen, erhöhte er den Schuldenberg natürlich, aber dafür hoffte er, später schneller an größere Summen zu kommen, um sich etwas zügiger freizukaufen. Aber auch so – die Kröte würde ihn noch eine erkleckliche Summe von Jahren als Leibeigenen behandeln dürfen. Die meisten Diebe, Betrüger, Einbrecher und sogar einige Meuchelmörder der Residenz standen in Vibols Schuld, und dieser Umstand trug in nicht geringem Maße dazu bei, seine Stellung so unangreifbar zu machen.

    Die Hintertür ging auf, und Vibol hinkte in die Gaststube, gefolgt von seiner mürrischen Ordonnanz. »Ab ins Bett, mein Junge«, sagte die Kröte zu Lluigolf und nickte Roske zu, der den Gruß ebenso stumm erwiderte. Die Vordertür klappte, und Lluigolf erhob sich. »Das habe ich heute schon mal gehört«, murmelte er. Roske zuckte gleichmütig mit den Achseln und begleitete ihn zur Tür, um hinter ihm abzuschließen.

    In der folgenden Zeit mied Lluis den Einäugigen. Seine Lehrer belegten ihn zu sehr mit Beschlag, sagte er sich, und das stimmte auch durchaus. Vor allem der distinguierte Rutilo fand großes Vergnügen daran, Lluigolf in die höheren Weihen seiner Kunst einzuführen.
    An einem schönen Frühlingstag empfing er Lluis in seinem Studio – so nannte er den großen Raum unter dem Dach, in dem er eine unglaubliche Vielfalt von Verkleidungen, ein Arsenal an Schminktöpfen und alle denkbaren Varianten von Perücken und Bärten verwahrte. »Heute machen wir die Probe aufs Exempel«, sagte Rutilo. »Ich habe dir ein paar Kleider herausgesucht, zieh dich bitte um.«
    Lluigolf musterte die Kleidungsstücke misstrauisch. Auf seinen bisherigen Ausflügen hatte er sich unter Rutilos kritischen Augen als Schiffsjunge, Fischer und kleiner Höker durch das Viertel bewegt. Er hatte mit Marktfrauen gefeilscht, mit den Flussschiffern in ihren Schenken getrunken und gewürfelt, sich mit Fischern über die Qualität ihres Fanges unterhalten – aber diese Kleider hier sahen zu edel aus, um einem Vertreter der unteren Stände zu gehören. Er hob den dunkelgrünen Rock auf und musterte die samtene Kniehose, die darunter lag. Sein Blick veranlasste seinen Lehrer zu einem

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