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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Stimme klang dumpf, weil sie den Schnabel voller Federn hatte.
    Ich wartete. Es hatte keinen Sinn, Ranvidar zu drängeln.
    Endlich spuckte sie ein helles Flaumfederchen aus, schnalzte ein paar Mal mit der Zunge und sagte: »Mar Ayomida möchte, dass ich dich nach Raakus bringe.«
    Â»Nach Raakus«, wiederholte ich überrascht. Was sollte ich in der Residenz? Ich hatte den Auftrag, mich um die Geschichte der Drachenkriege zu kümmern, dazu brauchte ich vor allem die Bibliothek des Bardensteins und meine Ruhe. In Raakus wäre ich hauptsächlich damit beschäftigt, dem sammelwütigen Markgrafen aus dem Weg zu gehen.
    Ranvidar las wohl meine Gedanken, denn sie spuckte erneut ein Federchen aus und sagte: »Mar Ayomida bittet dich, eine Weile bei Markgraf Wigher zu Gast zu sein. Der Meistersänger ist informiert, er erlaubt dir, alles, was du für deine Arbeit brauchst, für die Zeit deines Aufenthalts in der Residenz auszuleihen. Einschließlich des Bibliothekars.«
    Ich verschluckte mich und begann zu husten. »Was?«, sagte ich schließlich keuchend.
    Ranvidar schloss ein Auge und betrachtete mich durch das andere. »Der Bibliothekar kommt mit uns«, sagte sie. »Gurmendor wird ihn tragen.«
    Gurmendor war ein riesiger, wortkarger Adler mit weißem Kopf und grauem Gefieder. Ich wusste nicht, dass er sich je dazu herabgelassen hätte, einen Reisenden zu tragen.
    Â»Weiß Maris es schon?«, fragte ich schließlich.
    Â»Ja.« Ranvidar gähnte und schloss halb die Lider. »Meinetwegen kannst du mir auf unserem Flug noch Löcher in den Bauch fragen, aber jetzt lass mich ausruhen.« Sie wartete meine Antwort nicht ab, öffnete die Schwingen und flog hinüber auf das Küchendach, wo sie bei ihrer Landung den nächsten Taubenschwarm in Todesangst versetzte.
    Raakus. Markgraf Wigher, der unermüdliche Sammler. Ich schüttelte den Kopf. Wie dieser Sonderling es geschafft hatte, vier Kinder in die Welt zu setzen, war mir ein Rätsel. Seine Gemahlin musste ein wahres Wunder an Langmut, Diplomatie und Geschick gewesen sein.
    Jeder Gedanke an Schlaf war vollkommen vergessen, aber ich war zu unruhig, um mich an meine Arbeit zu setzen. Also lief ich die Treppe hinunter und verließ den Bardenstein, um ein wenig durch die krummen Gassen des Städtchens Lerneburg zu wandeln und nachzudenken.
    Ich war ein gehorsamer Diener meines Ordens, und gehorsame Diener taten, was man ihnen auftrug, und gingen, wohin man sie schickte – bedingungslos.
    Ich trat fest gegen einen Kiesel, der davonschoss und gegen einen Blecheimer schepperte. Ich war ein gehorsamer Diener meines Ordens, dachte ich verbissen. Aber es gab Tage, an denen es nicht leicht war, frag- und klaglos zu tun, was die Obere Kapellarin verlangte. Vor allem, wenn Mar Ayomida wieder einmal nicht daran gedacht hatte, die Gründe dafür mitzuteilen.
    Ich trat gegen den nächsten Kiesel und sah mit Befriedigung zu, wie er die abschüssige Gasse hinuntersprang. Es war eine Übung in Demut, die einem Frar Scriptor auf diese Art auferlegt wurde. Wenn ich ganz ehrlich zu mir war und im innersten, tiefsten Herzen zu mir sprach, dann ging mir das doch erheblich auf die Nerven. Ich seufzte. Was ja wiederum der Beweis dafür war, dass ich diese Übung in Demut bitter nötig hatte.
    Ein alter Mann, der die Straße vor seinem Haus fegte, sah mich verwundert an, und ich bemerkte, dass ich halblaut mit mir selbst gesprochen hatte. Ich nickte ihm zu, lächelte, hob die Schultern, und er lächelte breit zurück und fuhr fort, in abgezirkelten Bewegungen den Unrat zu kleinen Haufen zusammenzufegen.
    Ã„rgerlich, diesmal allerdings auf mich selbst, ging ich weiter den Berg hinunter. Von einem meiner früheren Besuche erinnerte ich mich an eine hübsche und ruhige Schenke unweit des Flussufers. Der Fluss – eigentlich war es eher ein Flüsschen, kaum mehr als ein größerer Bachlauf – umfloss den Bardenstein in einer engen, bedächtigen Schleife. Ich atmete die frische Luft der Niederung ein und lief so lange am Ufer entlang, bis ich die erhoffte Schenke erblickte. Es war noch so früh am Tag, dass der Gastraum vor Nässe und Sauberkeit glänzte. Alle Fenster standen weit offen und ließen Wind, Sonne und Vogelsang ein. Ich setzte mich an einen blank gescheuerten Tisch und bestellte bei der prompt herbeieilenden Wirtin ein ordentliches Frühstück.
    Mit

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