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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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näher und seine feinfühligen Finger ertasteten eine kleine Öffnung, die ein Astloch sein mochte – oder auch ein Schlüsselloch. Für Hadmut dürfte dieses Schloss kein großes Hindernis dargestellt haben. Jetzt musste sich erweisen, ob er das, was er bei Meister Ingwin gelernt hatte, anzuwenden wusste.
    Lluigolf holte die dünnen, gebogenen Drähte aus der Tasche, die jeder Schüler des Kollegiums Tag und Nacht bei sich trug. Er ließ sie durch die Finger gleiten und betastete sie prüfend. Dann ließ er einen davon in das Schloss gleiten, bewegte ihn, ertastete die Widerstände, befand den Draht als ungeeignet und wählte einen stärkeren.
    Es dauerte noch eine Weile, in der er lautlos fluchend in dem Schloss herumstocherte und sich vorstellte, wie Meister Ingwin hinter ihm stand und den Kopf schüttelte. Der Meister pflegte mit kleinen, missbilligenden Zungenschnalzern seinen Unwillen zu bekunden, und Lluigolf hätte schwören können, diese hinter sich zu vernehmen.
    Dann, endlich, gab es einen klickenden Laut. Das Türblatt bewegte sich unter seiner Hand. Lluigolf atmete erleichtert aus und schob die Tür langsam auf.
    Hinter der Pforte lag ein verlassener Hof, erstaunlich eng und schäbig für die mächtigen Mauern, die ihn umgaben. Lluis verkeilte die Pforte mit einem Stein für den Fall, dass er gezwungen sein sollte, einen schnellen Rückzug anzutreten.
    Er huschte über den Hof. Die Mauer schloss ihn an zwei Seiten ab, auf den gegenüberliegenden Seiten standen Gebäude, von denen eines Stallungen zu beherbergen schien, denn von dort drang das Scharren von Hufen und ein gelegentliches verschlafenes Schnauben. In dem anderen Gebäude war ein Tordurchgang, sonst war keine Tür zu sehen. Er musste raten, wo Hadmut sich hingewendet haben mochte – immer vorausgesetzt, sie war überhaupt hier und hatte es nicht erneut zuwege gebracht, ihn abzuhängen.
    Aber da waren Schritte in dem Tordurchgang. Leise, leichte Schritte, kaum vernehmbar für menschliche Ohren. Lluigolf frohlockte und lief lautlos darauf zu. Was immer Hadmut hier trieb, sie schien sich auszukennen.
    Er erreichte den Durchgang und schlich hindurch. Der Hof, der sich seinen Augen nun darbot, war erheblich größer als der, den er gerade verlassen hatte, und umgeben von erstaunlich hohen und prachtvollen Gebäuden. Fackelbeleuchtete Galerien und Arkaden säumten ihn, als handele es sich hier um einen öffentlichen Marktplatz und kein Privathaus.
    Leider war diese Örtlichkeit nicht nur unübersichtlicher, sondern auch belebter als die vorige. Ein einfach gekleideter Mann stürmte gerade mit eiligen Schritten aus einer der vielen Türen, überquerte den Hof und verschwand im angrenzenden Gebäude. In einer der Galerien über Lluigolfs Kopf plauderten und lachten zwei Frauen miteinander, und aus einem zweiten Durchgang erklang das Schimpfen einer Männerstimme. Viele der Fenster waren beleuchtet, was den gepflasterten Hof mit einem verwirrenden Muster aus hellen und dunklen Flecken überzog.
    Lluigolf sah sich wachsam um. Wo auch immer Hadmut stecken mochte, es würde selbst der Nase eines Spürhundes oder Luchsaugen schwerfallen, sie in diesem weitläufigen Komplex zu finden.
    Er beschloss, zumindest einen Blick in den angrenzenden Hof zu werfen, um sicherzugehen, dass er Hadmut wirklich verloren hatte. Er sah sich schnell und gründlich um und schritt dann nicht zu langsam, nicht zu verstohlen, aber auch nicht zu eilig auf den hinteren Durchgang zu. Als er auf der Höhe des träge vor sich hinplätschernden Brunnens angelangt war, öffnete sich erneut eine Tür. Helles Licht fiel auf das Pflaster und laute Stimmen schollen heraus.
    Lluigolf erstarrte. Eine breite Silhouette erschien in der Tür, aber die Aufmerksamkeit des Mannes galt dem Inneren des Gebäudes. Er rief mit grober Stimme etwas Unverständliches, das von drinnen mit brüllendem Gelächter quittiert wurde.
    Lluigolf, jeden Moment der Entdeckung gewahr, kniete sich auf die Einfassung des Brunnens und gab vor, Wasser in die hohlen Hände zu schöpfen. So gebückt, beobachtete er weiter das Geschehen auf der anderen Seite des Hofes.
    Der Mann schloss die Tür und stapfte mit energischen Schritten auf den Brunnen zu. Lluigolf senkte den Kopf und machte sich klein. Die Schritte wurden langsamer, verharrten. Mit einem unhörbaren Seufzer hob

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