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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Bauch.
    Lluigolf gab sich geschlagen. Er hockte sich hin und nahm den Napf auf, in dem ein warmer Gemüsebrei dampfte. Der Wächter schnaufte erleichtert und ging.
    Nachdem der dritte Tag genauso verlief, der vierte sich nur dadurch unterschied, dass ein bärenhafter Ork mit Schlitzaugen ihn mit Essen versorgte, und am fünften Tag lange Zeit niemand erschien, aber im Hof großer Aufruhr und lautes Kommen und Gehen herrschte, begann Lluigolf zu fürchten, dass man ihn vollkommen vergessen hatte. Er trommelte gegen die Tür, aber niemand schien ihn zu hören.
    Die Unruhe im Hof nahm gegen Mittag noch weiter zu. Er hörte lautes Wiehern und Pferdegetrappel, und Stimmen, die laut sprachen, lachten und merkwürdigerweise sangen . Er presste sein Gesicht an die Gitter zum Lichtschacht – sehen konnte er zwar nichts bis auf die schmutzigen Wände des Schachtes, aber die Rufe und Lieder blieben unverständlich. Die fremden, wohlklingenden und süßen Laute riefen Erinnerungen wach an Sonnenlicht, das durch belaubte Baumkronen fiel, duftende Blütenteppiche auf Waldlichtungen, Vogelstimmen in der Morgendämmerung, Tauperlen auf dunklem Moos und den Geruch von Waldboden nach einem Frühlingsschauer. Das alles stürmte auf seine Sinne ein und weckte eine Sehnsucht, die ihm die Knie weich werden ließ. Er sank vor dem Lichtschacht zu Boden und verbarg das Gesicht in den Händen.
    Â»Liebster«, flüsterte eine Stimme. Eine weiche, kühle Hand berührte seine Wange. Lluis hob ungläubig den Kopf und sah, dass sich eine Öffnung in der Wand aufgetan hatte. Helles Licht flutete in seine kahle Zelle, und ein frischer Duft von Blüten und Gras wehte herein. Eine junge Elbin kniete an seiner Seite und sah ihn an.
    Â»Siiran«, sagte er und streckte vorsichtig die Hand aus. Die Wange, die seine Fingerspitzen berührten, war weich, glatt und kühl und durchaus echt. »Siiran«, wiederholte er ungläubig.
    Sie lächelte und hielt seine Hand fest, die er an ihre Wange gelegt hatte. »Komm«, sagte sie und zog ihn auf die Füße. Das Singen der fremden Stimmen im Hof war verstummt. Wind rauschte in dichtem Gezweig. Lluigolfs Füße sanken in dichtes Moos, und er atmete tief die kühle Luft des Waldes. »Ah, das habe ich so vermisst«, sagte er laut.
    Siiran lachte ihr glucksendes Lachen und zog ihn weiter.
    Â»Warte«, sagte er. Sie drehte sich zu ihm um und hob die Brauen. »Siiri – wo sind wir hier? Und warum …«, es widerstrebte ihm, es auszusprechen, da sie so blühend und schön vor ihm stand. »… warum lebst du? Du bist in meinen Armen gestorben.« Seine Stimme brach.
    Das Bild zerplatzte, als Siiran erneut lachte. »Komm, Liebster«, sagte sie. »Du grübelst zu viel. Das macht schrecklich viele Falten auf der Stirn.« Ihre neckende Berührung ließ ihn erschauern.
    Er wanderte wie verzaubert an Siirans Hand durch den Wald. Die Residenz und die armselige Zelle, in der er geschmort hatte, waren weit fort und wurden immer unwirklicher, bis er glaubte, alles sei nur ein böser Traum gewesen. Und Siiran – sie war hier an seiner Seite, sah ihn an, lächelte, berührte ihn.
    Â»Wo gehen wir hin?«, fragte Lluigolf nach einer langen Zeit, in der er schweigend und glücklich neben ihr hergelaufen war.
    Sie lächelte wieder. Ihre Augen strahlten, als sie ihn ansah. »Wo möchtest du denn hingehen?«
    Sein Schritt stockte. »Wo – wo sind wir überhaupt?«
    Â»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie mit einem anmutigen Zucken ihrer Schultern. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, sodass ihr leichtes Kleid um ihre Beine flatterte, und breitete die Arme aus. »Aber es ist schön hier. Nicht so kalt und dunkel wie …«, sie verstummte und biss sich auf die Lippe.
    Lluigolf schauderte. »Wo sind wir?«, wiederholte er drängend. »Siiri, du hast mich doch hergebracht!«
    Sie zog einen Schmollmund und ließ das Haar ins Gesicht fallen. »Sei nicht böse zu mir. Ich habe dir doch nichts getan.«
    Lluigolf sah sich mit einem steigenden Gefühl der Unruhe um. Das Licht hatte sich während ihrer langen Wanderung nicht verändert, in diesem Wald schien ein ewiger, endloser Nachmittag zu herrschen. Er hörte Vogelstimmen, aber rundherum regte sich nichts im Gezweig, und auch im dichten Unterholz neben dem Weg raschelte kein kleines

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