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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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waren weit geöffnet, der Blick zu den Balken an der Decke gerichtet. Wurgluck kletterte aufs Bett und legte sich neben sie. Auch er grübelte schweigend vor sich hin. Céredas ging im Schein des Herdfeuers auf und ab, blieb immer mal wieder lauschend stehen oder trat zur Tür. Ein Dutzend Mal vergewisserte er sich, dass der Riegel eingerastet war.
    »Céredas, lege dich jetzt endlich hin«, sagte Wurgluck barsch. »Noch ist Gelegenheit zu schlafen und Kräfte zu sammeln.«
    Zu seiner Verwunderung folgte der Jäger seiner Aufforderung, ohne zu widersprechen. Er legte sich an den Rand des Bettes, faltete die Hände auf der Brust und schloss die Augen.
    Irgendwann später schreckte Tahâma hoch. Sie musste eingeschlafen sein. Das Feuer war inzwischen niedergebrannt, und nur noch die Glut verbreitete einen rötlichen Schimmer. Zu ihrem Erstaunen lag sie allein auf dem großen Bett. Sie sprang auf und griff nach ihrem Kristallstab. Als sein Licht aufflammte, sah sie Wurgluck auf dem Tisch knien und durch das Fenster in die Nacht hinausspähen. Dann fiel ihr Blick auf den Riegel der Tür. Er war zurückgeschoben, von Céredas fehlte jede Spur.
    Tahâma eilte zum Fenster hinüber. »Wo ist er?«, wisperte sie und löschte rasch den Stab, um draußen etwas erkennen zu können.
    Der Erdgnom hob die Schultern. »Céredas hat sich nicht mit mir beraten und sich auch nicht von mir verabschiedet, bevor er sich in diese Wahnsinnstat stürzte.« Er deutete auf die Tür.
    »Es ist allein hinausgegangen?«, fragte sie erschrocken.
    Wurgluck nickte und presste die Lippen aufeinander. »Junger Narr!«, stieß er hervor.
    Schweigend sahen sie in die Nacht hinaus. Ab und zu schien es Tahâma, als schwebten lautlose Schatten zwischen den Baumstämmen. Es war still draußen, ungewöhnlich still. Nicht einmal ein nächtliches Tier war zu hören.
    Wurgluck hob lauschend den Kopf. »Da kommt jemand«, flüsterte er.
    Tahâma starrte die Tür an und umklammerte ihren Stab. Sie erwog gerade, den Riegel wieder zuzuschieben, da schwang die Tür auf, und Céredas trat ein. Im Licht des Kristalls, das Tahâma wieder aufleuchten ließ, glänzten seine Augen seltsam, aber er schien unversehrt.
    »Was fällt dir ein!«, kreischte der Erdgnom und sprang vom Tisch.
    »Ihr solltet schlafen.« Der Jäger machte eine abwehrende Geste, seine Stimme klang kühl. »Ich wache über euer Leben. Es ist alles ruhig draußen. Uns wird nichts geschehen.«
    Damit schien das Thema für ihn erledigt. Wurgluck stemmte die Hände in die Hüften und sah den Jäger aus zusammengekniffenen Augen an. Céredas wandte sich ab, schob den Riegel wieder vor und warf dann noch einige Holzscheite in die Glut, sodass die Flammen wieder aufflackerten.
    Tahâma trat zu ihm und berührte seinen Arm. »Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagte sie sanft. »Du solltest bei Nacht nicht das Lager verlassen, ohne Bescheid zu sagen.«
    »Ich weiß, was ich tue«, erwiderte Céredas und drehte ihr den Rücken zu.
    Tahâma fühlte einen schmerzhaften Stich. Sie hatte begonnen, den Jäger zu bewundern und sich auf seine umsichtigen Urteile zu verlassen. Die Wärme in seinen braunen Augen entzündete in ihr ein Feuer, und der Klang seiner Stimme war wie die Melodie des Windes in ihren Harfen. Jetzt aber fühlte sie sich, als hätte ein Schwall Eiswasser ihre Glut erstickt. Der harte Glanz in seinem Blick ließ sie zurückprallen. Wortlos legte sie sich wieder auf das Bett und schloss die Augen, doch es dauerte noch eine Weile, bis sie Ruhe fand und einschlief.
     
    Am Morgen begnügten sie sich mit einem kurzen Mahl. Obwohl sich Tahâma dabei nicht wohl fühlte, packten sie ihre Beutel mit den Vorräten aus der Hütte voll und machten sich dann auf den Weg. Ein schmaler Pfad führte nach Nordosten. Auch wenn Céredas wieder umgänglich und freundlich war wie zuvor, blieb das Mädchen schweigsam. Seine plötzlichen Stimmungsumschwünge machten ihr zu schaffen.
    Die drei Gefährten folgten dem Pfad durch ein Trockental und dann hinauf zu einer Hügelkette, über deren Spitzen sich zerklüftete Felsen zogen.
    »Wie krumme Zähne ragen sie in den Himmel«, sagte Tahâma.
    »Wie die Knochenschildrücken von Dinosauriern«, meinte Wurgluck.
    »Dinosaurier?«, fragte das Mädchen erstaunt. »Was sind das denn für Wesen?«
    »Hm.« Der Erdgnom kaute auf seinen schmalen Lippen. »Das sind riesige Echsen, die es vor langer Zeit auf der Menschenwelt gab.«
    »Auf der Menschenwelt?«, mischte sich nun

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