Die Seele des Feuers - 10
sie einem anderen anzuvertrauen, einem Mann mit mehr Erfahrung, beschloß dann aber, euch beiden Gelegenheit zu geben, mir zu beweisen, daß man euch vertrauen kann.«
»Was immer Ihr verlangt, Meister Campbell«, antwortete Snip, und es war ihm ernst damit. »Ihr braucht es bloß zu sagen.«
Snip zitterte vor Aufregung, endlich die Gelegenheit zu erhalten, Dalton Campbell seine Fähigkeiten zu beweisen. Die Musik schien ihn ganz mit dem Verlangen zu erfüllen, etwas Bedeutendes zu tun.
»Der Herrscher fühlt sich nicht gesund«, begann Campbell.
»Das ist schrecklich«, meinte Morley.
»Das tut uns leid«, fügte Snip hinzu.
»Ja, bedauerlich, andererseits ist er schon alt, Minister Chanboor dagegen ist noch jung und voller Tatendrang. Er wird zweifellos zum Herrscher ernannt werden, was wahrscheinlich nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Die meisten Direktoren sind hier, um geschäftliche Dinge mit uns zu besprechen – geschäftliche Dinge, die den Herrscherthron betreffen. Sie sondieren sozusagen das Terrain, solange sie noch die Muße dazu haben, und wollen gewisse Dinge über den Minister in Erfahrung bringen. Soeben sind sie dabei, seinen Charakter zu prüfen, um festzustellen, was für eine Art Mann er ist. Um festzustellen, ob er ein Mann ist, dem sie den Rücken stärken können, wenn die Zeit gekommen ist.«
Snip warf Morley einen kurzen Blick zu und sah, daß dieser seine aufgerissenen Augen auf Campbell geheftet hatte. Snip mochte kaum glauben, daß er so wichtige Neuigkeiten von einem so bedeutenden Mann erfuhr – schließlich waren sie bloß Hakenier. Er dagegen war der Adjutant des Ministers, ein bedeutender Anderier, der sie über Angelegenheiten von allerhöchster Wichtigkeit in Kenntnis setzte.
»Dem Schöpfer sei Dank«, meinte Snip leise. »Endlich erfährt unser Minister die Anerkennung, die ihm gebührt.«
»Sehr richtig«, meinte Campbell seltsam gedehnt. »Nun, die Sache ist die: Es gibt Personen, die die Ernennung des Ministers zum Herrscher gerne verhindern würden. Diese Personen haben die Absicht, dem Minister Schaden zuzufügen.«
»Ihm Schaden zufügen?« fragte Morley, sichtlich überrascht.
»Ganz recht. Ganz bestimmt wißt ihr beide noch, wie der Herrscher beschützt werden muß und daß alles, was man zum Schutz des Herrschers unternimmt, einer Tugend gleichkommt?«
»Klar, Sir«, antwortete Morley.
»Klar, Sir«, wiederholte Snip mechanisch. »Und jetzt, da der Minister Herrscher werden wird, sollte er ganz genauso beschützt werden.«
»Sehr gut, Snip.«
Snip strahlte vor Stolz. Er wünschte nur, der Alkohol würde es ihm nicht so schwer machen, die Augen auf einen Punkt zu konzentrieren.
»Meister Campbell«, bestätigte Morley, »wir wären Euch gerne behilflich und würden Euch gerne unsere Fähigkeiten beweisen. Wir sind bereit.«
»Ganz recht, Sir, das sind wir, bestimmt«, fügte Snip hinzu.
»Nun, dann sollt ihr beide eure Chance bekommen. Gelingt es euch, alles richtig zu machen und, was auch geschieht, kein Wort darüber zu verlieren – und damit meine ich, bis ins Grab –, wird es mich freuen, daß mein Vertrauen in euch berechtigt war.«
»Bis ins Grab«, wiederholte Snip. »Klar, Sir, das schaffen wir.«
Snip vernahm ein seltsam metallisches Geräusch. Zu seinem Entsetzen erkannte er, daß sich eine Schwertspitze unter seinem Kinn befand.
»Sollte sich jedoch einer von euch als meines Vertrauens nicht würdig erweisen, wäre ich überaus enttäuscht, denn dann geriete der Minister in Gefahr. Versteht ihr das? Ich werde nicht zulassen, daß jemand, dem ich vertraue, mich im Stich läßt. Oder den zukünftigen Herrscher. Habt ihr beide das begriffen?«
»Ja, Sir!« brüllte Snip beinahe.
Die Schwertspitze schnellte zu Morleys Kehle hinüber, verharrte dort. »Ja, Sir!« wiederholte er.
»Habt ihr irgend jemandem verraten, wo ihr heute abend einen trinken wollt?«
»Nein, Sir«, antworteten Morley und Snip wie aus einem Mund.
»Und doch wußte ich, wo ich euch finden würde.« Der große Anderier zog eine Braue hoch. »Denkt immer daran, wenn ihr jemals auf die Idee verfallen solltet, ihr könntet euch vor mir verstecken. Macht ihr mir Ärger, werde ich euch finden, egal wo ihr euch rumtreibt.«
»Meister Campbell«, meinte Snip, nachdem er hatte schlucken müssen, »sagt uns einfach, wie wir helfen können, und wir werden es tun. Ihr könnt uns vertrauen. Wir werden Euch nicht im Stich lassen – das schwöre ich.«
Morley nickte.
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