Die Seele des Feuers - 10
»Das stimmt. Snip spricht die Wahrheit.« Dalton Campbell schob sein Schwert in die Scheide zurück und lächelte. »Ich bin bereits jetzt stolz auf euch beide, ihr werdet es hier noch weit bringen. Ich weiß einfach, ihr werdet euch meines Vertrauens würdig erweisen.« »Jawohl, Sir«, meinte Snip. »Ihr könnt auf uns zählen.« Dalton Campbell legte Snip die eine Hand auf die Schulter, die andere Morley. »Also gut. Dann hört jetzt genau zu. «
»Da kommt sie«, flüsterte Morley Snip ins Ohr.
Snip blickte in die Richtung, in die sein Freund zeigte, und nickte. Morley entfernte sich und trat in den dunklen Schatten des offenen Lieferanteneingangs, während Snip hinter ein paar Fässern in Deckung ging, die neben der Laderampe aufgestapelt standen. Snip mußte daran denken, wie er Brownie vorhin mit dem Metzgerkarren auf der anderen Straßenseite hatte stehen sehen. Er wischte sich die Hände an seiner Hose ab. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen.
Auf dem Weg hierher hatten sie darüber gesprochen, und Morley hatte die Sache ganz genauso gesehen. So sehr ihm beim Gedanken daran auch das Herz klopfte, er würde auf keinen Fall zulassen, daß Meister Campbells Vertrauen in ihn enttäuscht wurde. Morley dachte genauso.
Die Musik, die aus den offenen Fenstern auf der anderen Seite des Rasens schallte – Streicher, Bläser und eine Harfe –, erfüllte ihn mit Entschlossenheit und ließ seine Brust vor Stolz schwellen, daß er von Dalton Campbell auserwählt worden war.
Der Minister – der zukünftige Herrscher – mußte beschützt werden. Ruhig und mit leisen Schritten stieg sie die vier Stufen zur Laderampe hinauf. Sie sah sich im schwachen Licht um, reckte den Hals und spähte in die tiefen Schatten. Snip schluckte, als er bemerkte, wie gut sie aussah. Sie war älter, aber zweifellos ein Blickfang. Noch nie hatte er eine anderische Dame so ausgiebig angestarrt wie sie.
Morley verstellte seine Stimme, damit sie tiefer und älter klang.
»Claudine Winthrop?«
Sie drehte sich erwartungsvoll zu Snips Freund um, der in dem dunklen Toreingang stand. »Ich bin Claudine Winthrop«, antwortete sie flüsternd. »Dann habt Ihr meine Nachricht also erhalten?«
»Ja«, antwortete Morley.
»Dem Schöpfer sei Dank. Direktor Linscott, ich muß unbedingt mit Euch über Minister Chanboor sprechen. Er beteuert, die Kultur Anderiths hochzuhalten, dabei gibt er das schlechteste Vorbild ab, das man sich auf seinem – oder irgendeinem anderen – Posten vorstellen kann. Bevor Ihr ihn als zukünftigen Herrscher in Betracht zieht, müßt Ihr unbedingt von seiner Verdorbenheit erfahren. Das Schwein hat mich mit Gewalt genommen – mich vergewaltigt. Aber das ist erst der Anfang, es kommt noch schlimmer. Um Eures Volkes willen, Ihr müßt mich anhören.«
Snip beobachtete, wie sie dastand, während das sanfte gelbliche Licht aus den Fenstern auf ihr hübsches Gesicht fiel. Dalton Campbell hatte nichts davon erwähnt, daß sie so hübsch aussah. Sie war natürlich älter und gehörte daher nicht zu den Frauen, die er normalerweise für hübsch halten würde. Es überraschte ihn, daß er eine so alte Frau – sie sah aus wie beinahe dreißig – anziehend fand. Langsam, lautlos, atmete er durch und versuchte, seinen Entschluß zu festigen. Trotzdem, er konnte nicht anders, er mußte ihr Kleid anstarren, ober besser, jene Partien, die es nicht bedeckte.
Snip rief sich die beiden Frauen ins Gedächtnis, die sich im Treppenhaus über solche Kleider unterhalten hatten, wie Claudine Winthrop in diesem Augenblick eines trug. Noch nie hatte Snip die Brüste einer Frau in dieser Deutlichkeit gesehen. Die Art, wie sie sich hoben, wenn sie die Hände rang, ließ ihm fast die Augen aus dem Kopf treten.
»Wollt Ihr nicht ins Freie treten?« flüsterte sie in die Dunkelheit hinein, wo Morley lauerte. »Bitte. Ich fürchte mich.«
Mit einem Schlag wurde Snip bewußt, daß er seine Rolle einzunehmen hatte. Mit behutsamen Schritten, damit sie ihn nicht kommen hörte, schlich er hinter den Fässern hervor.
Der Magen schien sich ihm zusammenzuschnüren; er mußte sich den Schweiß aus den Augen wischen, um sehen zu können. Er versuchte ruhig zu atmen, sein Herz schien allerdings einen eigenen Willen zu haben, doch ihm blieb keine andere Wahl. Aber bei den Gütigen Seelen, er war mehr als verängstigt.
»Direktor Linscott?« rief sie leise in Morleys Richtung.
Snip packte sie an den Ellenbogen und bog ihr die Arme auf den Rücken. Sie
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