Die Seele des Feuers - 10
»aber eins ist mir über jeden Zweifel hinaus klar: Die Chimären wurden auf diese Welt losgelassen.«
30. Kapitel
Den Jägern zuliebe wiederholte Kahlan ihre Erklärung in der Sprache der Schlammenschen. Richard wünschte, sie hätte recht gehabt mit ihrer Vermutung, es sei der Lauer und nicht die Chimären. Für den Lauer hätten sie eine Lösung gewußt.
Verständlicherweise wirkten alle beunruhigt, als sie hörten, wie Kahlan, die anfänglich so standfest darauf beharrt hatte, es sei der Lauer, ihnen jetzt erklärte, sie sehe es jenseits allen Zweifels als gegeben an, daß sie es mit nichts anderem als der überaus gefährlichen Bedrohung durch die Chimären zu tun hätten.
Nachdem sie erklärt hatte, sie sei mit ihm einer Meinung, hatte Richard nicht den Eindruck, als hätte auch nur einer von ihnen noch Zweifel. Kahlans Erklärung schien für jeden die Welt verändert zu haben.
Beklommenes Schweigen senkte sich über die Ebene.
Richard mußte unbedingt überlegen, was als nächstes zu tun war, hatte jedoch nicht die geringste Vorstellung, wo er anfangen sollte. Jetzt wurde ihm klar, was er hätte tun sollen, als sie noch Gelegenheit dazu hatten. Er war so auf die Gefahr fixiert gewesen, daß er alles andere außer acht gelassen hatte.
Er hatte sich weit von den Wäldern entfernt, die er so gut kannte, gerne wäre er wieder dort gewesen. Als Waldführer hatte er wenigstens nie vergessen, auf welchem Pfad er sich befand, und nie jemanden in einen Abgrund geführt.
Er richtete sein Augenmerk auf die dunkelhaarige Seelenfrau der Baka Tau Mana.
»Wieso habt ihr den weiten Weg bis hierher auf euch genommen, Du Chaillu? Was tut ihr hier?«
»Aha«, machte Du Chaillu, während sie ihre Hände betont langsam vor ihrem Körper faltete. »Jetzt wünscht der Caharin also, daß ich spreche?«
Die Frau stand kurz davor zu explodieren. Richard verstand nicht recht wieso, und eigentlich war es ihm auch egal.
»Richtig, wieso seid ihr hergekommen?«
»Wir waren viele Tage unterwegs. Wir haben Mühsal auf uns genommen. Wir mußten einige von denen begraben, die mit uns zusammen aufgebrochen sind. Wir mußten uns durch feindliches Gebiet kämpfen. Wir haben das Blut vieler Menschen vergossen, um zu dir zu gelangen.
Wir haben unsere Familien und Lieben verlassen, um dem Caharin eine Warnung zu überbringen. Wir haben nicht gegessen und nicht geschlafen und auf die Behaglichkeit einer sicheren Unterkunft verzichtet. Nächtelang haben wir geweint, denn wir hatten Angst und waren krank vor Sorge, so weit entfernt von unserer Heimat. Ich bin mit jenem Kind gereist, das der Caharin mich auszutragen bat, während ich zu einer Kräuterfrau gehen wollte, um es loszuwerden – um die fürchterlichen Erinnerungen loszuwerden, die ich mit ihm verbinde. Er dagegen weiß nicht einmal zu würdigen, daß ich beschloß, auf ihn zu hören und die Verantwortung für dieses mir auf gezwungene Kind auf mich zu nehmen.
Der Caharin sieht nicht einmal ein, daß ich durch das Kind, das er mich bat auszutragen, Tag für Tag an die Zeit erinnert werde, die ich in dieser stinkenden Stadt der Majendie nackt an eine Mauer gekettet verbringen mußte. Daran erinnert werde, wo ich mit diesem Kind schwanger wurde. Daran erinnert werde, wie diese Männer mich für ihr Vergnügen mißbrauchten, um mich anschließend auszulachen. An den Ort erinnert werde, wo ich Tag für Tag die Angst ertragen mußte, abgeschlachtet und geopfert zu werden. An den Ort erinnert werde, wo ich mir wegen meiner Kinder die Seele aus dem Leib geweint habe, denen man die Mutter nehmen würde, und geweint habe, weil ich ihre kleinen, lachenden Gesichter nicht mehr wiedersehen und nicht mehr die Freude erleben würde, sie aufwachsen zu sehen.
Ich dagegen habe auf ihn gehört und das Kind von Hunden ausgetragen, denn der Caharin hat mich darum gebeten.
Der Caharin schenkt seinem Volk, das diesen weiten Weg gereist ist, kaum mehr als flüchtige Beachtung, ganz so als wären wir Flöhe, derentwegen er sich kratzen muß. Er fragt nicht, wie es uns in unserer Heimat geht. Er lädt uns nicht ein, uns endlich zu ihm zu setzen, damit wir uns freuen können, wieder vereint zu sein. Er fragt nicht, ob wir im Frieden leben. Er erkundigt sich weder, ob wir zu essen haben, noch, ob wir durstig sind.
Er schreit nur herum und behauptet, wir seien nicht sein Volk, weil er die heiligen Gesetze nicht kennt, nach denen wir zahllose Jahrhunderte gelebt haben, und tut dieselben Gesetze nur
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