Die Seele des Feuers - 10
Die Art, wie sie ihn aus ihren dunklen Augen musterte, so als wählte sie ein Huhn fürs Abendessen aus, bereitete ihm eine Gänsehaut.
Sie trug ein schlichtes Kleid, das in dem schwachen Licht so aussah, als könnte es möglicherweise dunkelbraun sein. Anders als die freizügigere Mode, die die meisten anderischen Frauen trugen, war es bis zum Hals zugeknöpft. Ihr Kleid wies sie nicht als vornehme Frau aus, ihr Haar dagegen sprach dafür, dass sie jemand Wichtiges war.
Irgendwie schien sie anders zu sein als die anderen anderischen Frauen. Eine Sache fand Snip eigenartig an ihr: Hoch oben im Nacken trug sie ein eng sitzendes schwarzes Band um ihren Hals.
»Manchmal sagen Mädchen eine Gemeinheit, wenn sie Angst haben zuzugeben, dass sie einen Jungen gern haben und befürchten, er könnte sie nicht mögen.«
»Und manchmal sagen sie eine Gemeinheit, weil sie es auch so meinen.«
»Das ist wohl wahr.« Sie lächelte. »Wohnt sie auf dem Anwesen oder hier in Fairfield?«
»Hier in Fairfield. Sie arbeitet für Inger, den Metzger.«
Das schien sie leicht zu amüsieren. »Vielleicht ist sie mehr Fleisch auf den Knochen gewöhnt. Wenn du ein wenig älter und fülliger geworden bist, findet sie vielleicht mehr Gefallen an dir.«
Snip stopfte seine Hände wieder in die Taschen. »Vielleicht.«
Er glaubte nicht daran, er glaubte auch nicht, jemals fülliger zu werden, wie sie es nannte. Er hielt sich für alt genug und glaubte nicht, dass er sich noch groß verändern würde.
Abermals betrachtete sie für eine Weile sein Gesicht.
»Möchtest du, dass sie dich mag?«, fragte sie schließlich.
Snip räusperte sich. »Na ja, manchmal schon, schätze ich. Zumindest möchte ich nicht, dass sie mich hasst.«
Die Frau lächelte, als wäre sie mit etwas sehr zufrieden, er bezweifelte jedoch, jemals zu begreifen, womit.
»Das ließe sich arrangieren.«
»Ma’am?«
»Wenn du sie magst und möchtest, dass sie dich ebenfalls mag, ließe sich das arrangieren.«
Snip blinzelte sie erstaunt an. »Wie denn?«
»Man könnte ihr etwas ins Essen oder Trinken geben.«
Mit einem Mal begriff er. Dies war eine Frau mit Magie. Endlich verstand er, wieso sie ihm so seltsam vorkam. Er hatte gehört, Menschen mit Magie seien seltsam.
»Ihr meint, Ihr könntet etwas erfinden? Irgendeinen Mann oder so was?«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Oder so was.«
»Ich habe meine Stelle bei Meister Campbell gerade erst angetreten. Tut mir Leid, Ma’am, aber das kann ich mir nicht leisten.«
»Aha, ich verstehe.« Ihr Lächeln fiel in sich zusammen. »Und wenn doch?«
Bevor er antworten konnte, blickte sie nachdenklich blinzelnd in den Himmel. »Vielleicht genügt es, wenn es erst später fertig wird, sobald du deinen Lohn erhältst.« Ihre Stimme wurde zu wenig mehr als einem Flüstern, als redete sie mit sich selbst. »Dann hätte ich womöglich Zeit, das Problem zu erkennen, und könnte dafür sorgen, dass es noch einmal wirkt.«
Sie sah ihm in die Augen. »Was hältst du davon?«
Snip musste schlucken. Er wollte ganz bestimmt keine Anderierin kränken, erst recht keine, die die Gabe besaß. Trotzdem, er war unschlüssig.
»Na ja, Ma’am, die Wahrheit ist, sollte mich je ein Mädchen mögen, dann wäre es mir lieber, wenn sie mich mag, weil sie mich eben mag. Ich will Euch nicht kränken, Ma’am, Euer Angebot ist freundlich. Aber ich glaube, es würde mir nicht gefallen, wenn mich ein Mädchen nur wegen eines magischen Banns mag. Ich glaube, ich würde mich nicht sonderlich wohl dabei fühlen, wenn ein Mädchen nur durch Magie dazu gebracht werden könnte, mich zu mögen.«
Die Frau lachte und versetzte ihm einen Klaps auf den Rücken. Es war ein sanftes, fröhliches Lachen aufrichtiger Freude, das nicht so klang, als lache sie ihn aus. Snip konnte sich nicht erinnern, jemals einen Anderier, der sich mit ihm unterhalten hatte, dermaßen lachen gehört zu haben.
»So ist es recht.« Sie verlieh ihren Worten Nachdruck, indem sie ihren Finger hob. »Genau dasselbe meinte ein Zauberer auch einmal zu mir, vor sehr langer Zeit.«
»Ein Zauberer? Das muss schrecklich gewesen sein. Einem Zauberer zu begegnen, meine ich.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Eigentlich nicht. Er war ein netter Mann. Damals war ich noch sehr klein. Ich wurde mit der Gabe geboren, musst du wissen. Er meinte, ich solle stets daran denken, dass Magie kein Ersatz dafür ist, wenn einen jemand so mag, wie man ist.«
»Ich wusste gar nicht, dass es in dieser Gegend
Weitere Kostenlose Bücher